trailer: Frau Niemann, warum muss sich Ihr Verein für das Wohl von Kindern einsetzen, wo dies doch Aufgabe staatlicher Institutionen ist?
Martina Niemann: Beratungsstellen freier Träger wie die unsere sind ein wichtiger Teil des Kinderschutznetzes vor Ort. Wenn Beratungsstellen an freie Träger angedockt sind, ist die Hemmschwelle für die Betroffenen, um Hilfe zu bitten, oft niedriger. Es ist schon ein Unterschied, ob man direkt das Jugendamt einschaltet oder sich zunächst woanders kundig machen kann.
Kümmern Sie sich nur um Kinder, die in Familien leben?
Das ist der überwiegende Teil. Wir beraten aber auch häufig in solchen Fällen, in denen Kinder in Heimen oder in Pflegefamilien wohnen. Viele Pflegeeltern kommen zu uns, weil deren Pflegekinder traumatisiert sind und Therapie brauchen.
Nimmt die Gewalt gegen Kinder zu, oder nimmt nur die Darstellung dieser Gewalt in den Medien zu?
Mein Eindruck ist, dass die Gewalt zwar nicht deutlich zunimmt, aber häufiger darüber berichtet wird. Das ist aber gut und hilft, Misshandlung, Vernachlässigung und sexuellen Missbrauch zu enttabuisieren. Ich hoffe, dass sich durch diese Entwicklung Menschen eher ein Herz nehmen und Initiative ergreifen, wenn sie glauben, dass in ihrer Umgebung Kinder Gewalt erfahren. Die Kinder brauchen konkrete Unterstützung.
Wird weniger weggeguckt?
Menschen, die professionell mit Kindern arbeiten, also Lehrer, Erzieher und Sozialarbeiter, sind durch gesetzliche Veränderungen und Fortbildungen in den letzten Jahren erheblich sensibilisiert worden; Politik hat sich des Themas angenommen. In allen Kommunen werden viele Hilfen angeboten, um Gewalt und Missbrauch an Kindern vorzubeugen oder früh helfen zu können.
Sind Kinder in Institutionen wie zum Beispiel Heimen nicht auch gefährdet, misshandelt oder sexuell missbraucht zu werden?
Täter gibt es überall, in Kindergärten und Schulen, in Sportvereinen, in Internaten und Heimen; die Wehrlosigkeit von Kindern können die Täter dort ausnutzen. Auch hier sind Träger und MitarbeiterInnen aber mittlerweile sensibilisiert. Der Gesetzgeber schreibt deshalb ein erweitertes Führungszeugnis für pädagogische MitarbeiterInnen vor.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Unter Kontrolle
Kindheit zwischen GPS-Tracker, Playdates und Bildungsauftrag in der Kita – THEMA 09/15 WELTENKINDER
„Man kann nicht alles an einem Kind verderben“
Pädagogin Lisette Siek-Wattel über Kindheit heute, Werte und Toleranz – Thema 09/15 Weltenkinder
Angst essen Werte auf
Die Politik hat den Eltern den Glauben an die Herzensbildung ausgetrieben – Thema 09/15 Weltenkinder
Hohles Kindeswohl
Die körperliche und seelische Unversehrtheit von Kindern ist nach wie vor bedroht – THEMA 03/13 SCHUTZBEFOHLEN
„Wir wollten die Auswirkungen des Zölibats erforschen“
Christian Pfeiffer über das schwierige Verhältnis zwischen Kriminologen und Klerikalen – Thema 03/13 Schutzbefohlen
Schutzengel
Von grapschenden Religionslehrern und Katholischen Krankenhäusern – Thema 03/13 Schutzbefohlen
Grüße aus der Wahrnehmungslücke
Wie das Projekt „geRECHT in NRW“ eine Essener Heimeinrichtung veränderte – Thema 03/13 Schutzbefohlen
„Die Kategorie Migrationshintergrund hat Macht“
Teil 1: Interview – Migrationsforscher Simon Moses Schleimer über gesellschaftliche Integration in der Schule
„Ein Überbietungswettbewerb zwischen den EU-Staaten“
Teil 2: Interview – Migrationsforscherin Leonie Jantzer über Migration, Flucht und die EU-Asylreform
„Es braucht Kümmerer-Strukturen auf kommunaler Ebene“
Teil 3: Interview – Soziologe Michael Sauer über Migration und Arbeitsmarktpolitik
„Nostalgie verschafft uns eine Atempause“
Teil 1: Interview – Medienpsychologe Tim Wulf über Nostalgie und Politik
„Früher war Einkaufen ein sozialer Anlass“
Teil 2: Interview – Wirtschaftspsychologe Christian Fichter über Konsum und Nostalgie
„Erinnerung ist anfällig für Verzerrungen“
Teil 3: Interview – Psychologe Lars Schwabe über unseren Blick auf Vergangenheit und Gegenwart
„Genießen der Ungewissheit“
Teil 1: Interview – Sportpädagoge Christian Gaum über das emotionale Erleben von Sportevents
„Viele Spiele haben noch einen sehr infantilen Touch“
Teil 2: Interview – Medienpädagoge Martin Geisler über Wandel in der Videospiel-Kultur
„Ich muss keine Konsequenzen fürchten“
Teil 3: Interview – Spieleautor und Kulturpädagoge Marco Teubner über den Wert des Spielens
„Mosaik der Perspektiven“
Teil 1: Interview – Miriam Bruns, Leiterin des Goethe-Instituts Budapest, über europäische Kultur
„Die Bürger vor globalen Bedrohungen schützen“
Teil 2: Interview – Politikwissenschaftler Oliver Treib über Aufgaben und Zukunft der Europäischen Union
„Der Verkauf des Kaffees nach Europa ist gestoppt“
Teil 3: Interview – Sebastian Brandis, Sprecher der Stiftung Menschen für Menschen, über das EU-Lieferkettengesetz
„Wir müssen mit Fakten arbeiten“
Teil 1: Interview – Meeresbiologin Julia Schnetzer über Klimawandel und Wissensvermittlung
„Tiefseebergbau ohne Regularien wäre ganz schlimm“
Teil 2: Interview – Meeresforscher Pedro Martinez Arbizu über ökologische Risiken des Tiefseebergbaus
„Entweder flüchten oder sich anpassen“
Teil 3: Interview – Klimaphysiker Thomas Frölicher über ozeanisches Leben im Klimawandel
„Prüfen, ob das dem Menschen guttut“
Teil 1: Interview – Publizist Tanjev Schultz über ethische Aspekte der Berichterstattung über Kriminalfälle
„Es liegt nicht am Gesetz, Kriminalität zu verhindern“
Teil 2: Interview – Kriminologe Dirk Baier über Gewaltkriminalität und Statistik
„Eltern haben das Gefühl, sie müssten Buddhas werden“
Teil 3: Interview – Familienberaterin Nina Trepp über das Vermeiden von psychischer Gewalt in der Erziehung