Ausgerechnet während seiner Bewerbung um die Mitgliedschaft in der SED geht Gerhard Gundermann dieser entscheidende Satz über die Lippen. Ein Funktionär fragt ihn nach seiner Motivation, in die Partei einzutreten. Der Baggerfahrer und Sänger antwortet selbstbewusst: „Weil die Ideale des Kommunismus auch meine ganz persönlichen sind. Wenn es diese Weltanschauung nicht gäbe, dann hätte ich auch selbst darauf kommen können.“
Einen Kommunismus mit individualistischem Antlitz, das verkörperte dieser Künstler. Nicht ohne Widersprüche: Denn Gundermann meldete sich kritisch zu Wort gegen die Funktionäre, offen prangerte er die Arbeitsverhältnisse im Lausitzer Braunkohlerevier an, wo er selbst tätig war. Lakonisch beschreibt er in seinen Liedern die Lebenswelt im selbst erklärten Arbeiter- und Bauernstaat. Doch gleichzeitig ließ Gundermann sich von der Stasi umwerben. Als Inoffizieller Mitarbeiter bespitzelte er FreundInnen und WeggefährtenInnen.
Diese Biographie schrie also nach einer Verfilmung. Andreas Dresen (unter anderem „Sommer vorm Balkon“) wagte sich daran, die Geschichte von diesem rockenden Baggerfahrer auf die große Leinwand zu bringen.
Der Regisseur schlenderte an Montagabend über den roten Teppich, um das Musiker-Biopic erstmals der Öffentlichkeit zu präsentieren (Kinostart ist am 23. August) Mit anwesend bei der glamourösen Deutschlandpremiere in Essen: Hauptdarsteller Alexander Scheer, Anna Unterberger, die im Film die Gundermann-Gattin spielt, oder Axel Prahl, auf der Leinwand in der Rolle eines Stasi-Spitzels.
Knapp 26 Jahre ist es her, dass Andreas Dresen einen Streifen über einen anderen Künstler drehte: Sein Kinodebüt „Stilles Land“ erzählte vom Fall der Mauer aus der Sicht eines Theater-Regisseurs, der in die brandenburgische Provinz verbannt wurde. Die Schwellenerfahrungen der Wende blieben ein roter Faden. Bis zu seinem letzten Streifen „Als wir träumten“ nach der Romanvorlage von Clemens Meyer.
Um die Enttäuschungen und Traumata in der DRR sowie in der Postwende-Ära geht es auch in „Gundermann“. Mit leisem Humor. Etwa wenn der Künstler die Floskeln der Apparatschiks mit erlesenen Marx-Zitaten kontert. Oder wenn der einstige Dissident Bekannten und Band-Mitgliedern gesteht, diese bespitzelt zu haben. Szenen, die von einem grandiosen Drehbuch getragen werden. Dafür arbeitete Dresen zuvor regelmäßig mit Altmeister Wolfgang Kohlhaase zusammen. Diesmal verfasste Laila Stieler das Drehbuch – und fand dafür besondere Erwähnung nach der umjubelten Vorstellung: „Drehbuchautoren werden zu wenig beachtet“, so Dresen über die Arbeit von Stieler. „Ich verneige mich.“
Wie sehr sich dieser widersprüchliche Liedermacher an den eisernen Verhältnissen aufrieb und zugleich auf einen Pakt mit den stalinistischen Machthabern einließ, führt ebenso die beeindruckende Darbietung von Alexander Scheer vor Augen. Sein Gundermann ist auf der Leinand Rebell und Rampensau, Idealist und Denunziant. „In diese Rolle hat er sich reingeschmissen, wie es kein anderer kann“, so Dresen, der augenzwinkernd ergänzte: „Er ist ein Wahnsinniger.“
Mit diesem „Wahnsinnigen“ stand Dresen nach der Premier auf der Lichtburg-Bühne, um den Soundtrack live zu spielen, unterstützt von Pankow-Sänger und Gitarrist Jürgen Ehle. Denn natürlich machen auch sie diesen Musikfilm aus: Gundermanns Songs über den grauen Arbeitsalltag und Lebensdurst, das Verliebtsein oder den Feierabend. Nicht so exzentrisch wie Udo Lindenberg, nicht so prätentiös wie Wolf Biermann. Gunderman ist der Rio Reiser des Ostens. Deswegen klingen die Verse wohl noch heute (und an diesem Abend) so wohlklingend in den Ohren: melancholisch und rebellisch.
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