Armie Hammer wurde 1986 in Los Angeles geboren und begann seine Schauspielerkarriere mit Gastauftritten in Fernsehserien. Seit seiner Darstellung der Winklevoss-Zwillinge im Facebook-Film „The Social Network“ ist er in die A-Liga Hollywoods aufgestiegen. Danach sah man ihn als Clyde Tolson an der Seite von Leonardo DiCaprio in „J. Edgar“, bevor er nun in der Titelrolle des „Lone Ranger“ zusammen mit seinem Sidekick Tonto, der von Johnny Depp verkörpert wird, das Westerngenre aufmischt.
choices: Mister Hammer, der „Lone Ranger“ ist ein sehr idealistischer, altmodischer Held. War es eine Herausforderung, solch eine Rolle in einer Zeit zu spielen, in der eigentlich Antihelden wie Batman Hochkonjunktur haben?
Armie Hammer: Die Figur entstand für eine Radioserie, die während der amerikanischen Depression geboren wurde. Damals waren alle arm und keiner hatte etwas. Höchstens eben ein Radio, vor dem sich die ganze Familie versammelte, um kostenlose Unterhaltung zu genießen und den Abenteuern des „Lone Rangers“ zuzuhören. Das waren Geschichten von einem Helden, der in einer schwierigen Zeit stets das Richtige tat. Mit der Fernsehserie war es dann ähnlich. Die lief nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und während des amerikanischen Konflikts mit Korea, also lechzten die Menschen wieder nach Helden. Ich glaube, dass die Welt immer einen aufrechten Helden benötigt, was den „Lone Ranger“ über die Generationen hinweg interessant macht. Dazu braucht er noch nicht einmal Superkräfte, und es schießen auch keine Kugelblitze aus seinen Augen. Er muss essen und schlafen, er kann verwundet werden. Aber gleichzeitig weiß er um die Risikosituationen, wenn er sieht, dass jemand misshandelt oder bedrängt wird, und dann reagiert er, wie wir das alle in solch einer Situation machen sollten – er unternimmt etwas dagegen. Er weiß, dass er dabei eine aufs Maul bekommt und er weiß, dass das wehtun wird, aber er mischt sich trotzdem ein. Ich finde, das ist sehr bewundernswert, insbesondere in unserer heutigen Zeit. Wir beschäftigen uns in unserem Film auch mit dem Konzept, dass der Held eine Maske tragen muss. Müssen die Guten heutzutage ihre Identitäten verschleiern? Leider ist das sehr häufig tatsächlich der Fall.
Wieso glauben Sie, dass es heutzutage wichtig für einen Helden ist, eine Maske zu tragen?
Unsere heutige Welt erinnert mich an ein Kinderspiel aus Vergnügungsparks, das wir in den Vereinigten Staaten haben, das Whac-A-Mole heißt. Dabei versucht man mit einem großen Hammer einen Maulwurf zu treffen, der auf einem großen Spielfeld abwechselnd seinen Kopf durch eines der vielen Löcher steckt. So ähnlich verhält es sich mit einem Helden – er hält für alle anderen den Kopf hin, bis er getroffen wird. Deswegen ist es wohl für die meisten Menschen einfacher, bloß dazusitzen und nichts zu tun. Wenn man in der U-Bahn Zeuge wird, wie jemand eine Dame belästigt, setzt man sich selbst der Gefahr aus, wenn man sich einmischt und denjenigen auffordert, aufzuhören. Man gerät in die Schusslinie, insbesondere dann, wenn der andere stärker ist oder mehr Macht besitzt. Der Sicherheit wegen ist es deswegen manchmal besser, wenn man sich, seine Familie und die Menschen, die einem lieb sind, verschleiert. Man darf ihnen keine Angriffspunkte liefern. Aber so läuft das heutzutage nun mal. Man muss sich nur anschauen, was mit WikiLeaks oder den Whistleblowern passiert, die sich hinstellen und sagen, dass in unserem System etwas nicht richtig abläuft und man etwas dagegen tun muss. Diese Menschen werden sehr selten als Helden wahrgenommen, sondern viel eher wie Verräter behandelt. Auch heutzutage müssen gute Menschen manchmal noch Masken tragen.
Was würden Sie im Fall Edward Snowdon unternehmen?
Das weiß ich nicht. Es ist schwierig, denn jede Medaille hat zwei Seiten. Jeder, den man fragt, wird einem dazu eine andere Sicht der Dinge vermitteln. Ich kann nicht sagen, ob Snowdon ein Held oder ein Verräter ist. All das ist weit außerhalb meines Spektrums, weit außerhalb meiner Qualifikationen, insbesondere im politischen Bereich. Andererseits bin ich bestürzt über die Dinge, die er enthüllt. Es ist sinnvoll, dass wir in den Vereinigten Staaten bestimmte Gesetze haben wie den „Whistleblower Protection Act“. Wenn man an die Öffentlichkeit geht und einen Verstoß anprangert oder sagt, dass etwas Unrechtmäßiges abläuft, dann genießt man dadurch in einem gewissen Maß einen Schutz. Aber ich habe wirklich keine Ahnung, was da im Moment vorgeht und was ich davon halten soll.
Würden Sie selbst sich auflehnen, wenn Sie irgendwo Ungerechtigkeiten wahrnehmen würden?
Ich würde mir wünschen, dass es so wäre. In meiner Kindheit hatte ich teilweise eine etwas unschöne Zeit, in der ich von anderen gehänselt wurde, wie das viele in ihrer Pubertät erleben müssen. Das hat mir natürlich nicht im Geringsten gefallen. Nun bin ich erwachsen und in der Lage, mich durchzusetzen, aber es gefällt mir noch immer nicht, wenn ich sehe, dass andere drangsaliert werden. Auch wenn ich nicht eingreifen und jemanden verhaften kann, dann kann ich hoffentlich trotzdem für denjenigen eintreten und ihm helfen.
Sie wurden in Los Angeles geboren – hatten Sie da überhaupt eine andere Wahl, als Schauspieler zu werden?
Es ist komisch, aber die meisten meiner Freunde, die zusammen mit mir in Los Angeles aufgewachsen sind, wollten alles andere als Schauspieler werden. Ihr Ziel war es, eher Agent zu werden oder so etwas. Ich bin auch schon aus L.A. weggezogen, als ich vier Jahre alt war, deswegen habe ich aus dieser Zeit nur wenige Erinnerungen. Die Idee, Schauspieler zu werden, bekam ich erst in der Zeit, die ich in der Karibik verbrachte – und danach hat sie mich nie mehr verlassen.
Ihre Eltern fanden Ihre Pläne, Schauspieler zu werden, zunächst nicht so gut. Haben Sie sich mittlerweile mit Ihnen wieder ausgesöhnt?
Ja, auf jeden Fall. Sie wussten nur schon im Vorfeld, wie schwierig es werden könnte, in diesem Beruf Fuß zu fassen und versuchten, mich vor einem Misserfolg zu beschützen. Das war ja eine nette Geste. Aber sobald ich alt genug war, sagte ich Ihnen, dass sie mich damit nicht weiter ersticken sollten. Ich habe einfach an meinem Traum festgehalten, weil das meine große Leidenschaft ist. Ich könnte mir auch gar nicht vorstellen, in einem anderen Beruf zu arbeiten. Nachdem ich ihnen nun gezeigt habe, dass ich nicht einfach nur faul auf der Couch liegen und Filme anschauen möchte, sondern diesen Traum mit viel Hartnäckigkeit weiterverfolge, sind sie nun auch stolz auf mich. Besonders, wenn ich etwas wie „Lone Ranger“ mache, von dem mein Vater ein großer Fan ist, da wurde er richtig hibbelig.
Sind Sie auch mit der Legende um den „Lone Ranger“ aufgewachsen, als Sie ein Kind waren?
Nicht mit dem Spilsbury-Film („Die Legende vom einsamen Ranger“ aus dem Jahr 1981; die Red.), aber mir war der „Lone Ranger“ schon ein Begriff, überwiegend deshalb, weil mein Vater ein so großer Fan davon war. Er wuchs in einer Zeit auf, als den „Lone Ranger“ eigentlich jeder kannte, speziell in den USA. Aus nostalgischen Gründen hat er, wenn die Serie im Fernsehen mal wieder ausgestrahlt wurde, immer gesagt, dass wir die nun zusammen anschauen sollen. Und ich hatte keine Ahnung, um was es da in der Serie ging!
Ihre Figur hat ständig ein Buch von John Locke dabei. Haben Sie das auch selbst gelesen?
Oh, ich habe es zumindest versucht. Als ich im Drehbuch gelesen habe, dass mein Charakter dieses Buch liest, wollte ich direkt auch eine Ausgabe davon haben und es mir als Vorbereitung für die Rolle durchlesen. Aber zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wie dick dieses Buch ist und dass es die trockenste Lektüre ist, die ich mir jemals vorgenommen habe. Es beschäftigt sich unentwegt mit der Position des Menschen im Verhältnis zu Gott, mit Adam als dem ersten Menschen, was wertvoll, wichtig und richtig zu sagen ist…und irgendwann dachte ich dann nur noch: „Gibt es dazu keine Königs-Erläuterungen?“
Hat Ihnen der komische Ansatz Ihrer Rolle Spaß gemacht, zumal ihre vorhergehenden eher ernst angelegt waren?
Ja, das hat mir eine Menge Spaß gemacht! Schon die Dreharbeiten waren sehr spaßig, und es macht auch unglaublich viel Spaß, Leute dabei zu beobachten, wie sie Spaß haben. Das gefällt doch jedem! Und obwohl wir uns wirklich sieben Monate in der Wüste isolieren mussten, hatten wir dort die beste Zeit unseres Lebens! Wir hoffen, dass man das auch im Kinosessel spüren kann und dass der Film dem Publikum genauso viel Spaß bereitet.
War es schwieriger, eine komische Rolle zu spielen?
Nein, das ist lediglich etwas technischer als bei einer ernsten Rolle. Ich habe mehrere Jahre damit verbracht, Komiker bei der Arbeit zu beobachten – das ist etwas ganz Besonderes. Komödien sind das Medium des Schreibenden. Und was da auf dem Papier steht, muss man sich als Schauspieler dann sehr genau anschauen. Wenn da an einer Stelle ein Komma steht, hat das eine ganz bestimmte Bedeutung. Entweder ändert sich an dieser Stelle der Gedankengang der Figur oder deren Meinung, oder irgendetwas ändert sich in etwas anderes. Eine Ellipse oder drei Punkte haben wieder eine andere Bedeutung. Als Schauspieler muss man erkennen, ob es lustiger ist, seinen Gedanken mitten in seiner Rede zu verlieren … und dann wieder darauf zurückzukommen, oder ob es lustiger wirkt, wenn man ganz plötzlich völlig zerstreut ist. Man muss so eine Szene wirklich analysieren, und dann wird der Vorgang sehr technisch. Das ist eher mit dem Spielen eines klassischen Musikstücks vergleichbar, wenn man jede Note richtig treffen und den Rhythmus einhalten muss, ansonsten funktioniert die Komik nicht.
Wie war die Zusammenarbeit mit Johnny Depp?
Gewaltig! Er ist der netteste und professionellste Schauspieler, mit dem ich jemals zusammengearbeitet habe, was besonders hinsichtlich seines Kalibers ungewöhnlich ist. Er ist Johnny Depp – er könnte ans Set kommen, einatmen, ein paar Sätze sagen und wieder verschwinden. Und alle anderen würden den Rest des Films fertigdrehen. Aber er war in den gesamten Filmprozess involviert, kannte jeden Beteiligten beim Namen und interessierte sich wirklich für jeden. Er ist einfach unglaublich! Es ist auch sehr beeindruckend zu sehen, wie geerdet er geblieben ist, speziell wenn man seine Position in der Filmindustrie bedenkt. Obwohl er ganz oben an der Spitze steht, ist er trotzdem absolut normal geblieben, was keineswegs die Regel und sehr ermutigend ist.
Über was haben Sie und Johnny Depp sich während der Drehpausen unterhalten?
Es wäre einfacher, Ihnen zu sagen, über was wir uns nicht unterhalten haben (lacht). Wir haben eine solch lange Zeit zusammen verbracht, und ein Großteil davon wirklich nur wir beide alleine – während all der Szenen in der Wüste, in denen Lone Ranger und Tonto auf sich allein gestellt sind. Wir hatten wirklich eine tolle Zeit zusammen, haben uns gegenseitig Witze und Geschichten erzählt und gemeinsam Gitarre gespielt.
Wie haben Sie sich auf Ihre Westernfigur und alles, was sie im Film machen muss, vorbereitet?
Zur Vorbereitung waren wir in einer Art Western-Camp. Alle Schauspieler haben sich auf dieser Pferderanch in New Mexico versammelt, wo man uns erst wieder abholen wollte, nachdem richtige Cowboys aus uns geworden waren. Wir haben uns den ganzen Tag von echten Cowboys schinden lassen, und es hat tatsächlich funktioniert. Diese hauptberuflichen Revolverhelden mit ihren großen Schnurrbärten und Pistolen – man fragte sich bei deren Anblick wirklich, aus welcher Zeit die denn kommen! Wir sind oft auf Pferden geritten, haben mit Lassos und Peitschen trainiert und alle möglichen Dinge geübt, die die meisten Menschen im 19. Jahrhundert tatsächlich beherrschten – einfach nur, um damals überleben zu können.
Haben Sie sich während der Dreharbeiten verletzt?
Ohne Unterlass! Es gab keinen einzigen Tag, an dem ich nicht mit Schmerzen aufgewacht bin, und an jedem Tag waren diese schlimmer als am Tag zuvor!
Was hat Sie an dem Stoff fasziniert und zur Zusage bewogen?
Als ich ein erstes Exemplar des Drehbuchs bekam, wurde mir das nur unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen anvertraut. Ich musste in Jerry Bruckheimers Büro gehen, und durfte es dort nur in einem Zimmer lesen, während ich beobachtet wurde, damit ich die einzelnen Seiten nicht fotografiere! Auf einer der ersten Seiten gab es diese Szene, in der es heißt: „Der Lone Ranger hebt die Puppe des Mädchens auf, glättet ihr Kleid, will sie ihr zurückgeben und schwups … wird die Puppe aus dem Fenster des fahrenden Zuges gesogen.“ Ich musste nach dem Lesen dieser Szene so sehr lachen, dass es mir völlig egal war, wie der Rest des Films werden würde, diese Szene allein war schon klasse genug!
Sie haben einmal gesagt, dass sie manchmal die Rollen nicht bekommen, die sie reizen würden. Welche wären das denn?
Zu der Zeit, als ich das sagte, bekam ich generell nicht besonders viele Rollen angeboten. Damals hätte mich jede Rolle gereizt, weil ich einfach nicht so viel arbeitete, wie ich gerne wollte. Glücklicherweise ist das derzeit nicht mehr der Fall, das hat sich ein wenig geändert. Es gibt immer bessere und schlechtere Zeiten, aber im Moment habe ich viel zu tun und einige Projekte in der Entwicklung, auf die ich mich sehr freue, deswegen kann ich mich aktuell nicht mehr beklagen!
Haben Sie jemals die echten Winklevoss-Zwillinge getroffen, die Sie in „The Social Network“ gespielt haben?
Habe ich, das war sehr seltsam. Zunächst einmal war ich überrascht, dass sie wirklich zu zweit sind (lacht). Das sind sehr interessante Jungs. Ich glaube, wir haben sie in dem Film ganz gut dargestellt. Sie haben eine ganz besondere Persönlichkeit, die sich nicht unbedingt unter den Persönlichkeiten in meinem Freundeskreis wiederfindet, aber sie sind trotzdem ganz nett. Wir hatten eine angenehme Zeit zusammen, und es war vorteilhaft, dass ich die beiden erst nach den Dreharbeiten kennengelernt habe und meine Darstellung der beiden davon nicht beeinflusst wurde.
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