Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
25 26 27 28 29 30 1
2 3 4 5 6 7 8

12.581 Beiträge zu
3.810 Filmen im Forum

Hervé Le Corre
Foto: © Philippe Matsas

Stadt der Gewalt

06. Mai 2024

„Durch die dunkelste Nacht“ von Hervé Le Corre – Textwelten 05/24

„Mittlerweile empfindet er seit Monaten nur noch traurige Wut. Einen unbeschreiblichen Zorn.“ Die Gefühlslage des Kriminalkommandanten Jourdan, der seinen Dienst in Bordeaux versieht, ist uns wohlbekannt. Immer häufiger flackern die Feuer des Zorns in unserer Gesellschaft auf. Die Ohnmacht über einer Lebenssituation, in der sich wenig verändern lässt, wirkt erdrückend. Jourdan steht sozusagen an der Front. Die Gewalt spielt in Hervé Le Corres Roman „Durch die dunkelste Nacht“ eine zentrale Rolle. Eine Gewalt vor allem gegen Frauen, wenn auch nicht immer als Opfer. Mitunter werden sie zu Täterinnen, wo sich die Gewalt gegen Kinder richtet.

Dunkel ist die Welt in diesem Roman nicht nur bei Nacht, auch am Tag lauern Unheil und Brutalität in den Vorstädten. So lebt Louise, alleinerziehende Mutter eines achtjährigen Jungen, in steter Furcht vor dem Erscheinen ihres ehemaligen Lebensgefährten, der stets einen Grund findet, auf sie einzuschlagen. Währenddessen gleitet ein Serienmörder unauffällig durch den sozialen Alltag der Stadt, in der ihm der Zufall seine weiblichen Opfer zuspielt. Aus den unterschiedlichen Perspektiven dieser drei Personen blickt man auf Bordeaux, dessen Szenerie zu einem universellen Dschungel zeitgenössischer Urbanität wird.

Dass Hervé Le Corre in Frankreich reichlich mit Literaturpreisen bedacht wird, wundert nicht. Die drei Leben erzählen sich wie ein Film, der in unterschiedlichen Rhythmen gedreht wurde. Gemeinsam ist ihnen die vernutzte, gleichgültige Stadtlandschaft, in der alles eine Schäbigkeit annimmt. Nicht zuletzt die Sexualität wird zu einer Währung, die allein dem Prinzip der Macht folgt. Die vorsichtigen Annäherungen zwischen Jourdan und Louise nach einem der üblichen Ausraster ihres Ex nehmen sich da wie ein zartes Pflänzchen der Hoffnung aus. Da die knackige Handlungsführung Hervé Le Corre doch ziemlich in Anspruch nimmt, kommen die leiseren Töne etwas zu kurz. Feinstrick ist nicht seine Sache, dafür treibt er die Ereignisse aber zügig voran. Und das Finale kommt so überraschend daher, dass man es gleich nochmal nachschlägt. Gleichwohl besitzt dieser Roman etwas von der ungestümen Faszination eines prasselnden nächtlichen Regens. 

Hervé Le Corre: Durch die dunkelste Nacht | A. d. Franz. v. Anne Thomas | Suhrkamp Verlag | 340 S. | 17 €

Thomas Linden

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Vaiana 2

Lesen Sie dazu auch:

Die Ruhe vor der Revolte
M. Fallwickl liest im Bochumer Bahnhof Langendreer

Teslas Friedenswaffe
Alida Bremer liest in der Düsseldorfer Zentralbibliothek

Enfant Terrible
Clemens Meyer zu Gast bei Proust in Essen

Eine wahre Liebesgeschichte
Thomas Strässles „Fluchtnovelle“ – Textwelten 12/24

ABC-Architektur
„Buchstabenhausen“ von Jonas Tjäder und Maja Knochenhauer – Vorlesung 11/24

Übergänge leicht gemacht
„Tschüss und Kuss“ von Barbara Weber-Eisenmann – Vorlesung 11/24

Auch Frauen können Helden sein
„Die Frauen jenseits des Flusses“ von Kristin Hannah – Literatur 11/24

Die zärtlichen Geister
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller – Textwelten 11/24

Literatur in Höchstform
25. LesArt.Festival in Dortmund – Festival 11/24

Schaffenskraft und Schaffenskrise
20. Ausgabe des Festivals Literaturdistrikt in Essen – Festival 11/24

Nachricht aus der Zukunft
„Deadline für den Journalismus?“ von Frank Überall – Literatur 10/24

Zurück zum Ursprung
„Indigene Menschen aus Nordamerika erzählen“ von Eldon Yellowhorn und Kathy Lowinger – Vorlesung 10/24

Literatur.

Hier erscheint die Aufforderung!