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Das wird wohl nicht helfen
Foto: rangizzz / Adobe Stock

Keine Panik!

26. März 2024

Teil 1: Leitartikel – Angst als stotternder Motor der Vernunft

Ängste sind ja ein prima politisches Werkzeug. Bürger:innen lassen sich von repressiven Regenten in die Lähmung verängstigen. In demokratischeren Gefilden nebenan wiederum werden atomare Ängste geschürt, die davor warnen, repressiven Regenten allzu repressiv zu begegnen – Repressoren nehmen es mit Kusshand. Zugleich lassen sich grundsätzlich friedliebende Bürger:innen durch Parteien aufwiegeln, indem diese Ängste mit bodenlosen Erzählungen schüren und die Sündenböcke gleich mitliefern. Die systemische Verkopplung von Meinung, Aggression und damit Schüren von Ängsten, daran erinnern sich hierzulande die, die aus guten Gründen nicht vergessen wollen – und deshalb Angst bekommen. Viele andere verdrängen die Vergangenheit und lernen folglich nichts draus. Der Mensch ist ein Verdränger.

Überlebensinstinkte verbuddeln

Wenn er es sich leisten kann, verdrängt der Mensch selbst akute Krisen. Auch das begrüßt, je nach Parteiprogramm, die Politik, wenn sie ausnahmsweise mal nicht Ängste schürt, sondern sie dämpft und Krisen kleinredet. Satirisch dazu: „Ach, das Ozonloch, ich hab noch keins gesehn, bis jetzt“ (Badesalz: „Am Abgrund der Dummheit“, 1990). Dabei hat sich Mutter Natur die Angst bekanntlich nicht ohne Grund ausgedacht. Als Überlebensstrategie, über die wir Instinkte schulen und aus der wir idealerweise lernen. Nur lernt der moderne Mensch bevorzugt, wenn es ihm akut zugutekommt, aber ungern, wenn es ihn einschränkt und er etwas ändern müsste. Und so stecken wir lieber den Kopf in den Sand und verbuddeln unsere Überlebensinstinkte gleich mit. Das fällt uns in der Zivilisation besonders leicht, wo man an verunreinigte Umwelt längst gewöhnt ist und zugleich in Urbanität und am Display genug Reize findet, die von berechtigter Sorge ablenken.

Blöd nur, wenn bei allen Verdrängungsbestrebungen Körper und Seele nicht mitspielen. Für Panikattacke oder Trauma allerdings muss schon etwas außergewöhnlich Bedrohendes passieren – ferne Einzelschicksale oder Frühlingsgefühle im Winter reichen da nicht. Die Klimakrise vollzieht sich bisher wohl zu schleichend und der Krieg nebenan vermeintlich zu weit entfernt für kollektive traumatisierende Erfahrungen. Und gegen den Klimawandel gibt’s ja Klimaanlagen: Angstabkehr ad absurdum. Und doch sorgen sich viele existenziell, erkennen die Notwendigkeit für konsequentes Handeln und verzweifeln dabei mehr an unbekümmerten Mitmenschen als an der drohenden Katastrophe selbst. 

Unbekümmerte Mitmenschen

Zur Abkehr von Gefahren und Ängsten müsste der Mensch wach, vorausschauend und sozial verbunden leben. Nur entspricht so ein Konzept nicht den gängigen Gesellschaftsmodellen. Despoten interessieren sich nicht für Verantwortung, während demokratische Politiker:innen nicht verantwortungsvoll handeln, solange ihre Wähler:innen Verantwortung als Wohlstandseinbuße ablehnen. Also bleibt alles wie gehabt, zumindest, solang die Gefahr nicht greifbar ist: Die Katastrophe muss erst passieren. Wenn sich indes vorausschauend Besorgte auf die Straße kleben, um vielleicht doch etwas wachzurütteln, dann werden sie – anders als etwa Bauern auf Traktoren – verdonnert, verprügelt und staatsanwaltschaftlich über die Maßen belangt. Pech gehabt, Klimakleber: Ihr seid greifbar!

Immerhin: Viele von uns machen sich Sorgen ums Klima und ums Weltgeschehen, sind fassungslos angesichts von Hass und Gewalt auf den Straßen. Aber gehen wir wirklich weit genug oder ist unsere Sorge doch bloß Schmuck? Geht es uns einfach zu gut, wenn wir Verschwörungsmärchen glauben oder ins Kino gehen müssen, um überhaupt mal richtig Angst zu bekommen?

Hartmut Ernst

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