Hunderttausende sind seit Mitte Januar in deutschen Städten gegen Rechts auf die Straße gegangen. Auslöser war das Bekanntwerden des „Abendessens von Potsdam“ bei dem Mitglieder der AfD, aber auch von CDU und Werteunion sowie gutbetuchte Unternehmer, den Ausführungen des österreichischen Faschisten Martin Sellner lauschten, der unter anderem Migranten massenhaft deportieren will. Vor allem die AfD wird von weiten Teilen der Öffentlichkeit als Hauptgegner markiert. Das ist konsequent, profitiert die Partei derzeit doch am stärksten von der Verschiebung bei den Zustimmungswerten im Parteiensystem der BRD. Doch Regierung, Öffentlichkeit und Demonstranten lügen sich was in die Tasche, wenn sie glauben, allein Bekenntnisse zu Demokratie und Rechtsstaat könnten den Aufstieg der AfD stoppen.
Revanche gegen Politik für Wohlhabende
Das Problem liegt woanders, wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung Anfang Februar zeigte, über die die Deutsche Presseagentur berichtete. Demnach kann die Ampelregierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP nur noch bei den Wohlhabenden sowie im „neo-ökologischen Milieu“ punkten. Bei Menschen hingegen, die für den Mindestlohn oder weniger schuften, und denen Inflation und steigende Abgaben zusetzen, kommt die Ampel nicht gut an. Gerade in diesem Milieu hat die AfD bei zurückliegenden Wahlen und bei Umfragen viermal höhere Zugewinne erzielt als die größte Oppositionspartei CDU. Die Ampelpolitik zahlt auf das Konto der AfD ein.
Dennoch sind die Zugewinne überraschend. Denn die AfD hat gerade Armen, Gering- und Durchschnittsverdienern nichts zu bieten. Den Mindestlohn lehnt die AfD als angebliches Jobkiller-Gesetz ab. Stattdessen kommt ihr Steuerprogramm vor allem Wohlhabenden zugute – also jenen Wählern, die auch von der Ampel bevorteilt werden –, wenn die Abschaffung von Erbschafts- und Grundsteuer gefordert wird. Auch für Ostdeutschland, wo sie besonders viel Zuspruch erhält, hat die AfD keinen Plan. So lehnt sie sowohl Subventionen als auch den Ausbau erneuerbarer Energien strikt ab. Dabei sind das beides Bedingungen für eine Ansiedlung neuer, gut bezahlter und zukunftsfähiger Industriejobs. Die Wähler der Unterklasse schneiden sich also ins eigene Fleisch, wenn sie der AfD ihre Stimme geben! Dieses gegen die eigenen Interessen gerichtete Wahlverhalten ist eigentlich nur mit einem Revanchereflex gegen alle etablierten Parteien zu erklären, die seit rund vierzig Jahren fast ausschließlich Politik für Wohlhabende machen.
Politik für kleine Geldbeutel
Wie müsste aber eine Politik aussehen, die den Rechtsruck nicht nur symbolisch, sondern tatsächlich bekämpfen wollte? Statt weiter dogmatisch an der unsinnigen Schuldenbremse festzuhalten, müsste die Ampel Politik für kleine Geldbeutel machen. Das hieße: Keine Plastik- oder Fleischsteuer und keine Erhöhung der LKW-Maut. Ebenfalls nicht erhöht gehören Sozialbeiträge und Mehrwertsteuer auf Gas, Fernwärme und Gastronomie. Eine Erhöhung der CO2-Abgabe ist gut und richtig, jedoch nur dann, wenn es im Gegenzug ein Klimageld für kleine und mittlere Einkommen gäbe. Nur so wäre sichergestellt, dass die Abgabe mit den Reichen genau jene trifft, die für die höchsten CO2-Ausstöße verantwortlich sind. Wie bringt es der Ökonom und Publizist Maurice Höfgen so schön auf den Punkt: „Gute Wirtschafts- und Sozialpolitik sind gelebter Antifaschismus.“
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Ablenkungsversuch
Intro – Hab’ keine Angst
Keine Panik!
Teil 1: Leitartikel – Angst als stotternder Motor der Vernunft
„Nicht nur ärztliche, sondern auch politische Entscheidung“
Teil 1: Interview – Psychiater Mazda Adli über Ängste infolge des Klimawandels
Weltweit für Menschenrechte
Teil 1: Lokale Initiativen – Amnesty International in Bochum
Angst über Generationen
Teil 2: Leitartikel – Wie Weltgeschehen und Alltag unsere Sorgen prägen
„Psychische Erkrankungen haben nichts mit Zusammenreißen zu tun“
Teil 2: Interview – Psychologe Jens Plag über Angststörungen
Sorgen und Erfahrungen teilen
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Kölner Verein Rat und Tat unterstützt Angehörige von psychisch kranken Menschen
„Das Gefühl, dass wir den Krisen hinterherjagen“
Teil 3: Interview – Miriam Witz von Mein Grundeinkommen e.V. über Existenzängste und Umverteilung
Gefestigtes Umfeld
Teil 3: Lokale Initiativen – Wuppertals Verein Chance 8 fördert Chancengleichheit für Kinder
Soziale Bakterien
Den Ursprüngen sozialer Phobien auf der Spur – Europa-Vorbild: Irland
Im Sturm der Ignoranz
Eine Geschichte mit tödlichem Ausgang – Glosse
Schulenbremse
Teil 1: Leitartikel – Was die Krise des Bildungssystems mit Migration zu tun hat
Rassismus kostet Wohlstand
Teil 2: Leitartikel – Die Bundesrepublik braucht mehr statt weniger Zuwanderung
Zum Schlafen und Essen verdammt
Teil 3: Leitartikel – Deutschlands restriktiver Umgang mit ausländischen Arbeitskräften schadet dem Land
Nostalgie ist kein Zukunftskonzept
Teil 1: Leitartikel – Die Politik Ludwig Erhards taugt nicht, um gegenwärtige Krisen zu bewältigen
Aus Alt mach Neu
Teil 2: Leitartikel – (Pop-)Kultur als Spiel mit Vergangenheit und Gegenwart
Glücklich erinnert
Teil 3: Leitartikel – Wir brauchen Erinnerungen, um gut zu leben und gut zusammenzuleben
Werben fürs Sterben
Teil 1: Leitartikel – Zum Deal zwischen Borussia Dortmund und Rheinmetall
Es sind bloß Spiele
Teil 2: Leitartikel – Videospiele können überwältigen. Wir sind ihnen aber nicht ausgeliefert.
Das Spiel mit der Metapher
Teil 3: Leitartikel – Was uns Brettspiele übers Leben verraten
Europäische Verheißung
Teil 1: Leitartikel – Auf der Suche nach Europa in Georgien
Demokratischer Bettvorleger
Teil 2: Leitartikel – Warum das EU-Parlament kaum etwas zu sagen hat
Paradigmenwechsel oder Papiertiger?
Teil 3: Leitartikel – Das EU-Lieferkettengesetz macht vieles gut. Zweifel bleiben.
Vom Mythos zur Mülldeponie
Teil 1: Leitartikel – Wie der Mensch das Meer unterwarf
Friede den Ozeanen
Teil 2: Leitartikel – Meeresschutz vor dem Durchbruch?