trailer: Herr Beucker, ist der Lokaljournalist eine aussterbende Spezies?
Pascal Beucker: Das glaube ich nicht. Es gibt allerdings Konzentrationsprozesse. Die Westfälische Rundschau existiert als eigenständige Zeitung nicht mehr, sondern wird gefüllt von den lokalen Meldungen der Konkurrenz. Die Jobs bei der Westfälischen Rundschau sind weg, aber die bei den Ruhr-Nachrichten dürften gesichert sein. Ähnlich sieht die Situation im Rheinland aus. Hier legen der Kölner Stadt-Anzeiger und Kölnische Rundschau ihre Lokalredaktionen in den ländlichen Gebieten rund um Köln zusammen. Eine Redaktion füllt dort dann zwei Zeitungen. Den Mantelteil bezieht die Kölnische Rundschau schon jetzt vom Bonner General-Anzeiger. Da bleibt nicht viel Eigenes übrig. Ähnlich sieht es bei der Westdeutschen Zeitung in Düsseldorf aus. Das ist der Trend. Überleben dürfte wohl nur eine Lokalredaktion pro größere Stadt. Viele Kollegen werden sich deshalb leider einen neuen Job suchen müssen, aber dadurch stirbt der Lokaljournalismus nicht aus.
Foto:Anja Krüger
Aber die Vielfalt stirbt aus?
Genau, das ist eindeutig zu beobachten. Das Zusammenlegen von Redaktionen, wie es in Stuttgart oder Aachen bereits vor längerer Zeit geschehen ist, wird zum Modell für andere Regionen wie Köln und das Ruhrgebiet.
Ist die Zeitung aus Papier inzwischen ein Produkt für die Geriatrie?
Die Zeitung aus Papier ist tatsächlich eher noch was für die älteren Semester. Das heißt aber nicht, dass sie so schnell verschwinden wird. Insgesamt verändert sich derzeit der Aggregatzustand der Zeitung. Es wird immer öfter die digitale Ausgabe gelesen. Damit meine ich nicht die Online-Angebote, sondern so etwas wie E-Paper. Aber jede Zeitung, die glaubt, sie könne in nächster Zeit schon auf die Print-Ausgabe verzichten, wird ums Überleben kämpfen. Ältere Menschen werden weiterhin ihre Zeitung aus Papier haben wollen. Und das sind nicht wenige.
Die ökonomische Situation des Journalismus ist aber doch prekär. Wie kann es weitergehen?
Inzwischen können freie Mitarbeiter von Lokalzeitungen von dem, was sie verdienen, nicht leben. Die Honorare sind aberwitzig niedrig. Das führt zu einem großen Problem. Wer Qualität will, muss sie sich leisten. Übrig bleiben sonst nur Freizeitschreiber oder Schüler, die ihr Taschengeld aufbessern, also Leute, die nicht davon leben müssen. Das hat zwangsläufig Auswirkungen auf die journalistische Qualität. Denn guter Journalismus ist kein Hobby.
Wie kann ein investigativer Journalismus in der Lokalberichterstattung gewährleistet werden?
Investigativer Journalismus ist nur möglich, wenn festangestellte Redakteure sorgfältig recherchieren. Deshalb ist es ein großes Problem, wenn massiv in den Redaktionen Personal abgebaut und Ressourcen gekürzt werden. Fairerweise muss aber gesagt werden, dass sich zum Beispiel die Blätter der FUNKE-Mediengruppe auch vor der aktuellen Zeitungskrise nicht durch investigativem Eifer hervorgetan haben.
Wie sieht die Zukunft der Zeitungen aus?
In den Verlagshäusern wird sich durch die fortschreitende Digitalisierung viel verändern. Ein markantes Beispiel: Wie schon früher die Setzer wird der Beruf des Druckers nahezu aussterben. In ein bis zwei Jahrzehnten wird es nur noch Drucker für spezielle Kunstdrucke geben. Hier geht es um sehr viele Menschen und auch harte Schicksale. Dieser Aspekt kommt mir etwas zu kurz, wenn wir Journalisten uns um unsere Zukunft sorgen. Journalisten wird es in Zukunft weniger geben, der Beruf wird aber wenigstens nicht verschwinden.
Haben neue Projekte wie die „Krautreporter“ eine Chance am Markt?
Es wäre zu wünschen, aber ich glaube es nicht. Es ist gut, dass die Kollegen dieses Projekt starteten. Aber es wird letztlich an einem „Detail“ scheitern: Die wirklich guten Geschichten werden dort nicht oder zumindest nicht exklusiv zu finden sein. Falls einer der Krautreporter die Wahl hat, seine Story online auf der Seite des Projektes oder beispielsweise beim Stern zu veröffentlichen, für was wird er sich wohl entscheiden? Die Krautreporter haben jetzt Geld für ein Jahr gesammelt. Mal schauen, ob sie länger durchhalten.Wirklich gespannt bin ich, wie sich das neue Projekt von David Schraven CORRECT!V entwickelt. Ob das Modell funktionieren wird, lässt sich noch nicht sagen. Aber sein Investigativbüro hat zumindest eine satte Anschubfinanzierung durch die Brost-Stiftung bekommen. Drei Millionen Euro sind erst mal eine schöne Summe. Mit Bodo Hombach als Vorsitzenden des Ethikbeirats wurde allerdings der Bock zum Gärtner gemacht. Das weckt doch einige Zweifel.
Wie aber können sich Zeitungen in Zukunft finanzieren? Die GEZ ist für Printmedien ja nicht zuständig.
Warum diskutieren wir nicht endlich über die Möglichkeiten direkter staatlicher Subventionen, wie es sie in anderen europäischen Ländern gibt? Zum Beispiel für von Genossenschaften herausgegebene Zeitungen in Italien oder für lokale Zweitzeitungen in Schweden. Die Förderung und Sicherung der Pressevielfalt ist schließlich ein öffentliches Anliegen. Keinen großen Sinn würden allerdings Subventionen für die nach wie vor reichen Verlagsdynastien machen. Die hielten sich über Jahre Zeitungen als Gelddruckmaschinen und klagen jetzt darüber, dass ihre Rendite nicht mehr ganz so hoch ist. So manche Verlegerfamilie lässt lieber eine Zeitung untergehen, als ein paar Millionen aus ihrem Privatvermögen abzuzweigen.
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