Krautreporter. Klingt nach Unkraut, Wildkraut, Heilkraut. Jedenfalls nach etwas, das unaufhaltsam ist, kraftvoll und heilsam, von unten kommt. Also fast so wie Graswurzelrevolution. Ein kleiner Hauch von Revolution, aber sanft und grün. Genau das ist es, was die 27 Journalisten wollen, die sich in dem Projekt „Krautreporter“ zusammengeschlossen haben. Mit besseren Artikeln, spannenden Geschichten wollen sie den Onlinejournalismus revolutionieren. Dort nämlich, so ihre Kritik, geht es nur um „Klickzahlen“. Je mehr Internetnutzer einen Artikel anklicken, desto interessanter werden die Anbieter für zahlende Werbekunden. Also steigt ihr Preis. Wo aber Klicks bare Münze bedeuten, dominiert alles, was Aufmerksamkeit erregt: Sensationen, Schnellschüsse und Skandale haben Vorrang und verdrängen gute Recherche, knallharte Analyse, scharfe Kritik. Um bessere Geschichten oder Geschichten besser zu erzählen, müssen Journalisten in Ruhe recherchieren, analysieren und schreiben können. Weil das mit Werbekunden nicht geht, müssen die Leser zahlen, und zwar vorab: 900.000 Euro sammelten die „Krautreporter“ im Frühjahr im Internet per „Crowdfunding“. So viel brauchen sie, um das geplante Onlinejournal ein Jahr lang zu betreiben. 60 Euro kostet das Abo für ein Jahr, dafür erhält der interessierte Leser fünf Geschichten pro Tag. So weit so gut und gar keine schlechte Idee.
Wer mag bezweifeln, dass der Onlinejournalismus frische Impulse gebrauchen kann? Dass er „kaputt“ ist, wie die „Krautreporter“ diagnostizieren, um sich selbst großspurig als Heilmittel zu empfehlen, klingt allerdings ein bisschen übertrieben. Und ein Blick auf die Fragen, denen die 27 Nachwuchsjournalisten in ihrem vorfinanzierten Journal ab Herbst nachgehen wollen, lässt nicht erwarten, dass sie das Rad neu erfunden haben: Regionale Tomaten im Vergleich zu holländischen, Umweltgifte, Zahnreinigung und ein Vergnügungspark stehen auf der Themenliste, dazu der NSU und gleich zweimal die israelischen Siedler. Nun ja. Womöglich haben die Revolutionäre des Onlinejournalismus hier statt der Liste der brennenden und weithin ausgeblendeten Fragen doch eher die der journalistischen Ladenhüter aus der Schublade geholt. Ein interessanter Ansatz aber ist das durch Crowdfunding finanzierte Journal durchaus, dazu einer, der in Frankreich und in den Niederlanden bereits erfolgreich praktiziert wird. Und fraglos originell ist, dass alle die Artikel lesen dürfen, aber nur zahlende Kunden auch kommentieren können. Also nicht die Neugier, sondern die Sehnsucht, gehört und wahrgenommen zu werden, die Geldgeber motivieren wird. Wer will schon „Klickvieh“ sein, wenn er es sich leisten kann, seine Meinung zu sagen? Dass sich hier eine Revolution anbahnt, steht dennoch nicht zu befürchten oder zu hoffen, selbst wenn die Rudolf-Augstein-Stiftung nicht mit einer kräftigen Finanzspritze beteiligt wäre. Aber eine flotte Werbeidee sind die „Krautreporter“ nun wirklich.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Von Mainstream, Facebook und Kuschelkurs
LesArt-Diskussion über Medien im Café Central des Grillo Theaters am 5.4.
Pluralismus ertragen
Wie viel Freiheit gestehen wir einander zu?
Die Welt ist noch zu retten
„Perspective Daily“ will konstruktiven Journalismus im Netz bieten – Thema GUTE ZEIT 02/16
Harter Stoff und guter Tobak
CORRECT!V-Reporter Bastian Schlange liest am 15.8. im Rottstr 5 Theater
Im Namen des Vetters
Im Bahnhof Langendreer wurde am 25.6. über die Medienmacht der Kirche diskutiert
Die Wahrheit als Produkt
Deutschlandpremiere von „Die Lügen der Sieger“ in der Lichtburg Essen – Foyer 06/15
Wozu Journalismus?
Diskussion zum Journalismus mit WDR-Chefredakteurin Mikich am 4.5. in der Alten Druckerei Herne
Monopoly im Blätterwald
Die Konzentration in der Medienlandschaft gefährdet den Meinungspluralismus – THEMA 08/14 MEDIEN
„Immer öfter wird die digitale Ausgabe gelesen“
Pascal Beucker über die aktuelle Entwicklung der Presselandschaft – Thema 08/14 Medien
Gegen welche Regel?
Intro – Flucht und Segen
Schulenbremse
Teil 1: Leitartikel – Was die Krise des Bildungssystems mit Migration zu tun hat
„Die Kategorie Migrationshintergrund hat Macht“
Teil 1: Interview – Migrationsforscher Simon Moses Schleimer über gesellschaftliche Integration in der Schule
Bildung für Benachteiligte
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe in Bochum
Rassismus kostet Wohlstand
Teil 2: Leitartikel – Die Bundesrepublik braucht mehr statt weniger Zuwanderung
„Ein Überbietungswettbewerb zwischen den EU-Staaten“
Teil 2: Interview – Migrationsforscherin Leonie Jantzer über Migration, Flucht und die EU-Asylreform
Ein neues Leben aufbauen
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Verein Mosaik Köln Mülheim e.V. arbeitet mit und für Geflüchtete
Zum Schlafen und Essen verdammt
Teil 3: Leitartikel – Deutschlands restriktiver Umgang mit ausländischen Arbeitskräften schadet dem Land
„Es braucht Kümmerer-Strukturen auf kommunaler Ebene“
Teil 3: Interview – Soziologe Michael Sauer über Migration und Arbeitsmarktpolitik
Ankommen auch im Beruf
Teil 3: Lokale Initiativen – Bildungsangebote für Geflüchtete und Zugewanderte bei der GESA
Das Recht jedes Menschen
Die Flüchtlings-NGO Aditus Foundation auf Malta – Europa-Vorbild Malta
German Obstacle
Hindernislauf zur deutschen Staatsbürgerschaft – Glosse
Weihnachtswarnung
Intro – Erinnerte Zukunft
Nostalgie ist kein Zukunftskonzept
Teil 1: Leitartikel – Die Politik Ludwig Erhards taugt nicht, um gegenwärtige Krisen zu bewältigen
„Nostalgie verschafft uns eine Atempause“
Teil 1: Interview – Medienpsychologe Tim Wulf über Nostalgie und Politik
Lebendige Denkmäler
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Route Industriekultur als Brücke zwischen Gestern und Heute