Als „karnevaleske Ausstellungsstücke“ verspottete die US-amerikanische Rap-Gruppe Digital Underground im Jahr 1992 jene Musikstars, die durch Schönheitsoperationen ihren Status und damit ihr Einkommen steigerten. Im Song „No Nose Job“ (Keine Nasenkorrektur) hob der Rapper Shock G hervor, dass diese Promis ihrem Publikum die blödsinnigsten Schönheitsideale eintrichtern, sodass schon ein 6-jähriges Mädchen klagt: „Mama, ich mag meine Nase nicht!“ Das kam weder moralistisch noch wutschnaubend daher. Stattdessen schlakste Shock G in Gestalt seines überdrehten Alter Ego Humpty Hump durchs Songvideo, obligatorisch mit einer an Groucho Marx angelehnten Gesichtskostümierung, einschließlich Plastiknase, die Reime sonor näselnd – bis zur letztlich vergeblichen Flucht vor einer Operateurs-Meute, die ihm gegen seinen Willen eine neue Nase verpasste. Die als verantwortungslos vorgeführten Musikpromis stehen freilich für zahlreiche Einflüsse, die unsere Körperideale manipulieren. Dem gehtunser Monatsthema UNHEIMLICH SCHÖN nach.
Unsere Leitartikel fragen, was Menschen in Fitnessstudios treibt, warum sie sich freiwillig den Risiken chirurgischer Eingriffe aussetzen und wie wichtig Schönheit überhaupt ist.
In unseren Interviews diskutiert die Sportpsychologin Jana Strahler, wie gefährlich Sportsucht ist, die Psychoanalytikerin Ada Borkenhagen, was vor einer Schönheitsoperation abzuwägen ist und die Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Lechner, was an Schönheit politisch ist.
In unseren Lokalbeiträgen erfahren wir an der Deutschen Sporthochschule Köln, warum das psychische Wohl von Sportlern mehr Aufmerksamkeit verdient und beim Medienprojekt Wuppertal, wie sich Jugendliche in der Filmreihe „Body Positivity“ mit ihrem Aussehen auseinandersetzen. Wie erschütternd sich der Missbrauch von Macht und Körperidealen im Extrem auswirken kann, erfahren wirin Düsseldorf beim Vereinstop mutilation, der sich gegen die grausame Tradition der weiblichen Genitalbeschneidung einsetzt.
In Quentin Tarantinos Film „Jackie Brown“ (1997) räumt Max Cherry, gespielt von Robert Forster, gelassen ein, etwas gegen seinen beginnenden Haarausfall getan zu haben, auf den er „ein bisschen empfindlich reagiert“ habe. „Ich fühle mich besser“, fasst der Mittfünfziger zusammen, „seh‘ in den Spiegel, und das bin ich!“. Der Schauspieler Robert Forster verstarb im Jahr 2019 im Alter von 78 Jahren. Der Musiker Shock G, eigentlich Gregory Edward Jacobs, verstarb 2021 im Alter von 57 Jahren. Ihre Kunstfiguren erinnern daran, dass man über Fragen, zu denen noch jeder eine streitbare Meinung hat, auch ohne den sprichwörtlichen Schaum vorm Mund streiten kann – auch, dass Nachhilfe in Sachen Schönheit eine freie und reife Entscheidung sein kann. Die Spielräume, etwas gegen Manipulation und Machtmissbrauch von Körperidealen, gar gegen Menschenrechtsverletzungen zu tun, dürften davon nur profitieren.
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Im Namen der Schönheit
Teil 1: Leitartikel – Über körperliche Wunschbilder und fragwürdige Operationen
„Ausstrahlung ist mehr als die äußere Erscheinung“
Teil 1: Interview – Psychoanalytikerin Ada Borkenhagen über Schönheitsoperationen
Damit eine grausame Tradition endet
Teil 1: Lokale Initiativen – Düsseldorf: Verein stop mutilation gegen weibliche Genitalbeschneidung
11 Millionen Eitelkeiten
Teil 2: Leitartikel – Fitnessstudios: zwischen Gesundheitstempeln, Muckibuden, Selbstverliebtheiten und Selbstgeißelung?
„Sport wird instrumentalisiert, um positive Emotionen zu empfinden“
Teil 2: Interview – Sportpsychologin Jana Strahler über Sportsucht
Leistung ist nicht alles
Teil 2: Lokale Initiativen – Initiative an der Deutschen Sporthochschule fördert psychische Gesundheit
Ist Schönheit egal?
Teil 3: Leitartikel – Zwischen Body Positivity und Body Neutrality
„Schönheit ist ein zutiefst politisches Thema“
Teil 3: Interview – Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Lechner über Schönheitsdruck
Im eigenen Körper durchs Leben
Teil 3: Lokale Initiativen – Die Filmreihe „Body Positivity“ vom Medienprojekt Wuppertal
Ungefilterte Schönheit
Regeln für Influencer – Europa-Vorbild: Frankreich
Märchenspiegel 2.0
Vom Streben nach konformer Schönheit in feministischen Zeiten – Glosse
Ran an die Regeln
Intro – Verspielt
Wie gewohnt
Intro – Europa
Ausgefischt
Intro – Meeresruh
Machtspiele
Intro – Gewaltrausch
Natürlich wählen
Intro – Unsere Tiere
Wahlverwandt
Intro – Beziehungsweisen
Gefahrenzulage
Intro – Arbeit oder Leben?
Ablenkungsversuch
Intro – Hab’ keine Angst
Zeit des Verlangens
Intro – Ganz schön empfindlich
Politik mit Vorsatz
Intro – Nach der Demokratie
Weihnachtswunder
Intro – Geben und nehmen
Wer die Demokratie gefährdet
Intro – Wer bewacht die Wächter?
Bloß kein Erbarmen
Intro – Digital unverbunden
Wen Lindner so treibt
Intro – Schöne neue Zukunft