Als der Fußballtorhüter Robert Enke im Jahr 2009 Suizid beging, löste dies große Trauer und Bestürzung aus: Erst nach dem Tod des Sportlers wurde publik, dass er sich aufgrund von Depressionen bereits mehrfach in psychiatrische Behandlung begeben hatte. Ein in der Gesellschaft zumeist tabuisiertes Gespräch, mit einem Mal im Zentrum medialer Berichterstattung – vor allem die Frage danach, warum Enkes tragischer Tod nicht hatte verhindert werden können.
Dieses Ereignis war der Anlass zur Gründung der Netzwerkinitiative MentalGestärkt, die das Psychologische Institut der DSHS Köln gemeinsam mit der Robert-Enke-Stiftung, der Verwaltungsberufsgenossenschaft und der Vereinigung der Vertragsfußballspieler 2011 ins Leben rief. Auch Psycholog:innen, Psychotherapeut:innen und Psychiater:innen gehören der deutschlandweiten Kooperation an, die mittlerweile über 400 Mitglieder zählt. Diese sind sowohl im Bereich der Prävention als auch in der aktiven Versorgung von Athlet:innen tätig. Diplompsychologin Marion Sulprizio, Geschäftsführerin der Initiative, sieht jedoch trotz dieser guten Bilanz durchaus „noch Luft nach oben“. Gemeinsam mit Jens Kleinert, Professor am Psychologischen Institut, leitet sie das Projekt.
Gute Bilanz, Luft nach oben
Vor allem in den Jahren der Coronapandemie habe es einen Anstieg von jungen Athlet:innen gegeben, die sich von psychischen Problemen betroffen fühlten, so Sulprizio. Auffällig sei zudem, dass unter den Kaderathlet:innen in NRW insbesondere Frauen ein deutlich stärkeres Depressionsrisiko tragen. Ein Grund hierfür könne sein, dass Männer mit psychischen Erkrankungen sich seltener mit ihrem Anliegen meldeten, sodass von einer höheren Dunkelziffer auszugehen sei. Auch den Begriff der Komorbidität führt sie an: So suchten betroffene Männer beispielsweise nicht mit dem Gedanken an Depressionen ärztlichen Rat auf, sondern zunächst wegen Rückenschmerzen. „Und dann wird erstmal körperlich gesucht und EKG gemacht, bis man überhaupt erstmal dahin kommt zu sagen: Der Mann könnte Depressionen haben“.
Aus sämtlichen Sportdisziplinen erreichen Anfragen für Beratung und Unterstützung die Initiative.„Manchmal fragen auch nicht die Athleten selbst an, sondern die Eltern oder Trainer“, erklärt Marion Sulprizio. Sind Coachings im sportpsychologischen Bereich gewünscht, führt sie diese teilweise selbst durch, was in den Bereich der Therapie geht, vermittelt sieweiter. Zum Angebotder Initiative gehören auch Fortbildungen, Workshops und Thementage für verschiedene Zielgruppen, beispielsweise das Programm „Fit für die Seele“. „Das war eher für Ottonormalverbraucher, für alle, die sich mit Sport etwas Gutes tun wollen“. Bei dieser Veranstaltung sei zum Beispiel auch auf die Gefahren einer Sportsucht hingewiesen worden. Beim Thementag im März stehen nun „Essstörungen im (Leistungs-)Sport“ im Fokus. Das vielfältige Angebot der Initiative wird durch zwei Gremien ermöglicht: Im Beirat sitzen die finanziellen Förderer, die Lenkungsgruppe versammelt Vertreter:innen verschiedener Berufe, die für die inhaltliche Ausrichtung verantwortlich sind.
Unterschiedliche Zielgruppen
Für die Zukunft wünscht Sulprizio sich, dass große Institutionen wie der Deutsche Olympische Sportbund mehr für die psychische Gesundheit der Athlet:innen tun. Gute Vorbilder gebe es bereits: „Die Deutsche Fußball Liga hat es zur Pflicht gemacht, in allen Nachwuchsleistungszentren sportpsychologische Betreuer einzustellen“. Und genau hierin liege die wichtige Signalwirkung: „Denn es geht nicht immer nur um Leistung, sondern auch um psychische Gesundheit und um Persönlichkeitsentwicklung“.
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