Michel Foucault sprach einmal vom Verschwinden des Menschen „wie am Meeresufer ein Gesicht im Strand“. Nur jene Spuren von Menschenbildern blieben, die der Philosoph durchforstete: die Hysterische als Produkt eines Psychiatriediskurses, der Primitive als Konstrukt der Kolonialherren. Wer ein Mensch ist und wer nicht, das entschieden weiße Männer in Europa. Wie können wir also heute wissen, wer ein Mensch ist?
Mit dieser großen Frage konfrontiert uns das kainkollektiv. Im Projekt mit der Compagnie Zora Snake aus Kamerun sowie Njara Rasolomanana aus Madagaskar eröffnen sie einen historischen Bogen: angefangen bei der blutigen Kolonialgeschichte, die auch Deutschland noch immer nicht aufgearbeitet hat. Die imperialistischen Geister spuken jedenfalls noch immer. Die Aufarbeitung findet immerhin auf den Bühnen statt: als Totendialog durch Trance, als Trauerbewältigung durch Rituale.
Postkoloniale Motive greifen kainkollektiv nicht zum ersten Mal auf. Die Künstler mit Sitz in Bochum dekonstruierten etwa bereits in „Fin des Mission/Ohne Auftrag leben“ die europäische Herrschaft über den „schwarzen Kontinent“. In Kooperationen mit dem kamerunischen Theaterkollektiv Othni inszenierten sie einen bildstarken Reigen, der das Gedächtnis der Sklaverei vor Augen führte. Auch die Compagnie Zora Snake zeigte in der letzten Produktion „Le Départ/Der Aufbruch“, wie sich Hoffnung für den afrikanischen Kontinent durch Tanz ausdrücken lässt.
Nun also wieder zurück zu dieser Blutspur, erneut ein Abend, der vor allem von einem Element lebt: Tanz. Und dieser erscheint bei einem Choreografen mit afrikanischem Hintergrund zuweilen als mimetische Angleichung an die Dinge unserer Umwelt: Tiere und Pflanzen, Boden und Ressourcen. Europäische Augen kann das irritieren. Alles Hokuspokus ohne Sinne und Verstand? Körperliche Ausdrucksweisen können auf der Bühne jedenfalls die kalte Kalkulation über Mensch und Natur durchkreuzen, die sich bis in die Wörter eingeschlichen hat. Wer spricht, übt immer auch Macht aus. Wer tanzt, kratzt an diesem Herrschaftsgerüst.
Dass kainkollektiv und Co. mit ihren Choreografien die Schatten faschistoider Science-Fiction-Phantasmen auf die Bühne schleudern und dort zugleich (afro-)futuristische Lebensentwürfe bergen wollen, macht diese ganze Sache nur komplizierter. Fangen wir also von vorne an: „Was ist das? Ein Mensch?“
„Ist das ein Mensch?“ von kainkollektiv/Compagnie Zora Snake/Njara Rasolomanana | 27., 28.3. je 20 Uhr | Ringlokschuppen Ruhr, Mülheim | 0208 99 31 60
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