Er gilt als einer der bedeutendsten Journalisten: der 1885 in Prag geborene „rasende Reporter“, dessen gleichnamiges Buch 1925 erschienen ist. Doch nicht nur für seine mitreißenden Reportagen, die er als „Kunst- und Kampfform“ betrachtete, war Egon Erwin Kisch bekannt; auch literarisch hatte der sich nach dem Ersten Weltkrieg zum Pazifismus und Kommunismus bekennende Vielschreiber einiges zu bieten: So sind seine Erzählungen durchaus mit denen eines Franz Kafka zu vergleichen, mit dem Kisch zudem seine deutsch-jüdischen Wurzeln gemeinsam hatte. Mit einer in den Pausen zwischen den Texten leitmotivisch von Smetanas „Moldau“ begleiteten Lesung bereitete der in Berlin aufgewachsene Wahl-Mülheimer und Theatermacher Dean Luthmann dem Vorreiter des investigativen Journalismus am 11. August in der „Scheune“ des kaukasisch-russischen Restaurants Lezginka in Gladbeck eine würdige Hommage.
Wie die klassische Begleitmusik oszilliert Luthmanns theatergeschulte Stimme zwischen euphorisch und melancholisch, laut und leise. „Zur Erregung brauch’ ich Ruhe!“, schmettert der Gründer des in den 90ern zusammen mit seiner Frau ins Leben gerufenen Theaters „affabile“ plötzlich durch die stimmungsvolle „Scheune“ des nach einem kaukasischen Volkstanz benannten Restaurants. Zum Auftakt leiht er sein Organ dem Protagonisten der Kisch-Satire „Lobing – pensionierter Redakteur“, der Telegrafen und Telefone hasst; eine skurrile, doch gerade angesichts gegenwärtig grassierender Mobiltelefonitis durchaus nachvollziehbare Eigenschaft. Standhaft weigert er sich zudem, seinen dem Jiddischen entlehnten Nachnamen „Löwi“ in „Lobing“ zu ändern. Andere (teils satirische) Kurzerzählungen nehmen Hitlers unrechtmäßige Auszeichnung mit dem Eisernen Kreuz sowie das absichtliche faschistische Bombardement des „ausgeräumten Prado“ im Spanischen Bürgerkrieg aufs Korn oder widmen sich dem jüdischen Leben im mexikanischen Exil und in Böhmen-Mähren. Am 8. September wird die Lesereihe des Theaters „affabile“ in der „Scheune“ des – hervorragenden – Lezginka mit einer Veranstaltung über den sorbisch-deutschen Autor und Journalisten Erwin Strittmatter fortgesetzt.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Unfall oder Mord?
Jens Prüss-Lesung in der Düsseldorfer Zentralbibliothek
Schriftstellerin im Exil
Maria Stepanova liest bei Proust in Essen
Vorlesestunde mit Onkel Max
Max Goldt in den Kammerspielen Bochum – Literatur 01/25
Doppelte Enthüllung
„Sputnik“ von Nikita Afanasjew – Literatur 12/24
Eine wahre Liebesgeschichte
Thomas Strässles „Fluchtnovelle“ – Textwelten 12/24
ABC-Architektur
„Buchstabenhausen“ von Jonas Tjäder und Maja Knochenhauer – Vorlesung 11/24
Übergänge leicht gemacht
„Tschüss und Kuss“ von Barbara Weber-Eisenmann – Vorlesung 11/24
Auch Frauen können Helden sein
„Die Frauen jenseits des Flusses“ von Kristin Hannah – Literatur 11/24
Schaffenskraft und Schaffenskrise
20. Ausgabe des Festivals Literaturdistrikt in Essen – Festival 11/24
Die zärtlichen Geister
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller – Textwelten 11/24
Literatur in Höchstform
25. LesArt.Festival in Dortmund – Festival 11/24
Zurück zum Ursprung
„Indigene Menschen aus Nordamerika erzählen“ von Eldon Yellowhorn und Kathy Lowinger – Vorlesung 10/24
Kampf den weißen Blättern
Zwischen (Auto-)Biografie und Zeitgeschichte – ComicKultur 12/24
Zwischen Utopie und Ökoterrorismus
Tagung „Klimafiktionen“ in Bochum – Literatur 12/24
Das Über-Du
Auftakt von Literaturdistrikt mit Dietmar Dath und Wolfgang M. Schmitt – 11/24
Comics über Comics
Originelle neue Graphic Novels – ComicKultur 11/24