Dass es selbst der Tochter von Emmerich Kálmán gefallen hat, wer hätte es erwartet. Objektiv gesehen zieht die aktuelle Kölner Inszenierung der Csárdás-Fürstin die heitere Operette in einen Sumpf von Tuntenball und Schwuchtelklitsche. Und hebt damit ganz bewusst die seichte Soße auf eine Ebene prickelnder Gefühle und seelischer Konflikte – auch für den Hetero-Normalo. Intendant Uwe Eric Laufenberg meinte auf der Premierenfeier, er hätte eine ähnliche Inszenierungsidee noch in den späten Neunzigern in Berlin verwerfen müssen: nicht machbar! Dass sie geradezu notwendig war, und dass sie in Köln möglich wurde, verdanken die Operette und ihre Macher der momentanen Reiselust der Kölner Oper. Im jetzigen Operettenfall wurde sogar ein eigener neuer Raum gebaut.
In einer Halle des Palladiums, einem weiteren Ausweichquartier der renovierungsbedürftigen Kölner Oper, baute Friedrich Eggert ein flexibles Varieté-Theater mit drei Bühnen, in dem das Publikum wie im Barbetrieb an Tischchen mit Tischlampe platziert wird. Sternförmig angelegte Laufstege vierteln den Raum und werden von den Akteuren bespielt. Während die Ensemble- bzw. Ballettszenen auf zwei vis-à-vis montierten Bühnen aufgestellt werden, rennen die Hauptakteure durch das Publikum und tragen ihre Liebes- und Ränkespiele im Volk aus. Das schafft eine Nähe, die ein normales Theater, geschweige denn ein Opernhaus nie zu bieten hätte. Aus einer Notlage gewinnt die Oper Qualität – davon träumen Entscheider im wirklichen Leben auf ihren politischen Bühnen.
Dass hier akustisch Federn gelassen werden, fängt teilweise die Technik auf, rückt aber auch in dieser Fassung absolut in den Hintergrund des Interesses. Auch die Musik wird durch ein spezielles Orchester-Arrangement auf intimes Kammerspiel zurückgefahren und klingt manchmal authentisch: Hier nähert sich nämlich die Operette nicht der Oper (wie in der „Fledermaus“), sondern der Schlagerrevue. Einer der Hits klingt hier sogar nach Jazz. „Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht“. Womit wir endlich beim Thema wären.
Der Regisseur Bernd Mottl widerspricht diesem Kassenschlagermotto in seiner Inszenierung vehement. Ganz ohne Weiber funktioniert die Operette nicht, aber sehr weitgehend doch. Die Fürstin gibt Christoph Marti, der berühmte Ursli der Geschwister Pfister, wie der Vorname andeutet: ein Mann. Und auch die ganze Tanzmannschaft besteht aus Männern in bizarren Kostümen (ebenfalls Friedrich Eggert). Nacktarschige
Lederfreaks verfolgen Tunten in Frauenklamotten, Wolkenhosenengel kiffen zum Song „Tausend kleine Englein“, und im ungarischen Zigeunerlager winken echte Mädels mit Strohkränzen, während die Jungs ihre „Fürstin“ gen Himmel schwenken. Christoph Marti hält seine Rolle gegen allen sympathischen Klamauk so ernsthaft auf Spannung und spielt so überzeugend nicht die Fürstin, sondern einen Mann im Fürstin-Kostüm, dass dieser unlautere Bruch die ganze tolle oberflächlich-karnevalistische Kostümschlacht in kribbelndes Zwielicht hüllt. Für echte Operettenfreunde wirkt diese Partie versaut. Für neugierige und abenteuerlustige Zeitgenossen wird hier Operette brisant und ergreifend: Echter Zündstoff in der Kulturszene!
Vorstellungen im Palladium I 2./4./6./8./10./12./15./20.2. I www.operkoeln.de
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