Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.584 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Bedrohliche Schatten der Revolution: „Dialogues des Carmélites“
Foto: Karl+Monika Foster

Konzentrierter Blick auf die Angst

22. Februar 2018

Poulencs „Dialogues des Carmélites“ in Gelsenkirchen – Oper in NRW 03/18

Beinahe ihr ganzes Leben lang hat sich die alte Priorin darauf vorbereitet, schließlich vor ihren Schöpfer zu treten. Doch nun, da ihr Ende tatsächlich naht, bleiben nur noch Angst und Entsetzten. Der Glaube zerbricht an körperlichen Qualen und der Furcht vor dem Nichts. Die Novizin Blanche ist noch jung, aber sie kennt bereits diese tiefe existentielle Angst. Vor ihr flüchtete sie ins Kloster. Wird ihr Glaube stärker sein?

Regisseur Ben Bauer hat den inneren Kampf der angehenden Ordensschwester vor dem Hintergrund der Französischen Revolution in sehr ruhigen und eindringlich konzentrierten Bildern am Gelsenkirchener Musiktheater in Szene gesetzt. Komponist Francis Poulenc vertonte ihre Geschichte Mitte der 1950er Jahre als Oper „Dialogues des Carmélites“.

Auf den ersten Blick scheint es, man müsse schon sehr katholisch oder doch zumindest gläubig sein, um den Gewissenskonflikt der Blanche in vollem Umfang nachvollziehen zu können. Doch die Frage nach der elementarsten menschlichen Angst, jener vor der Auslöschung des Selbst, ist in Wahrheit universell.

Getrud von le Fort, deutsche Schriftstellerin von hugenottischem Adel, setzte der fiktiven Blanche de la Force 1931 mit ihrer Novelle „Die Letzte am Schafott“ ein literarisches Denkmal mit realem historischem Hintergrund: 1794 wurden während der Französischen Revolution die 16 Karmelitinnen von Compiègne auf der Guillotine hingerichtet, weil sie ihrem Glauben nicht abschwören wollten. Der Franzose Georges Bernanos griff den Stoff nach dem Weltkrieg wieder auf und brachte die Märtyrinnen auf die Theaterbühne und sogar ins Kino. Francis Poulenc schließlich komponierte auf dieser Grundlage seine Oper im Auftrag der Mailänder Scala.

Poulencs neoromantischer, impressionistisch eingefärbter Stil schien seinerzeit bereits aus der Zeit gefallen, bescherte dem Stück allerdings enormen Erfolg. Bis heute ragt seine betörende Tonsprache als eine besondere im Operngenre heraus.

Rasmus Baumann reizt am Pult der Neuen Philharmonie Westfalen die große Spannbreite von sehr zarten und intimen Momenten bis zu wuchtigen, scharfen Orchesterakzenten mit feinem Sinn für Details und Farbabstimmung aus. Beinahe für die gesamte Frauenriege im Gelsenkirchener Ensemble ist diese Oper ein Bravourstück. Bele Kumberger gehört zu den großen jungen Talenten des Hauses und singt die Blanche (in der rezensierten Aufführung krankheitsbedingt: Zinzi Frohwein). An ihrer Seite gibt Dogmin Lee mit leuchtend jugendlichem Sopran und fröhlicher Unbeschwertheit den Sonnenschein in düsterer Nacht. Noriko Ogawa-Yatake zeichnet als sterbende Priorin ein zutiefst erschütterndes Bild von Angst und Verzweiflung. Aber auch Petra Schmidt als ihre Nachfolgerin und Almuth Herbst als Mère Marie beeindrucken mit starker Charakterzeichnung.

„Dialogues des Carmélites“ | R: Ben Baur | So 4.3. , So 29.4. 18 Uhr, Fr 9., Fr 23.3. 19.30 Uhr | Musiktheater im Revier Gelsenkirchen | www.musiktheater-im-revier.de

Karsten Mark

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Heiterkeit mit Schattenwürfen
Neue Spielzeit am Musiktheater im Revier – Bühne 05/22

Farbenfrohes Gespensterstück
Dijkema inszeniert „Hoffmanns Erzählungen“ in Gelsenkirchen – Oper in NRW 08/17

Eingeholt von der Vergangenheit
„Die Passagierin“ in Gelsenkirchen – Oper in NRW 04/17

Damit Wahrheit nicht schwindet
Eine Oper und eine Ausstellung gegen das Vergessen – das Besondere 02/17

Unheimliche Schatten im Landhaus Bly
„The Turn of the Screw“ in Gelsenkirchen – Oper in NRW 10/16

Tosca im Schatten des Bösen
Tobias Heyder inszeniert Puccinis Opernkrimi in Gelsenkirchen – Oper in NRW 02/16

Puck packt sich annen Kopp
Brittens „A Midsummer Night‘s Dream“ im MiR – Oper in NRW 12/15

Lachgarantie inklusive
Mit ONKeLfISCH, Jürgen von der Lippe und Sascha Korf – Komikzentrum 10/15

Einer der schlimmsten Helikopterväter überhaupt
Intendant Michael Schulz inszeniert Rigoletto in Gelsenkirchen – Oper in NRW 06/15

Oper.

Hier erscheint die Aufforderung!