Es sollte wild sein, aber auch schön. Und bestimmt nicht ausgelutscht. Aber doch auch repräsentativ. Und dem anspruchsvollen Anlass angemessen. Aber auch unterhaltsam, vielleicht sogar kurzweilig. Und natürlich: international.
15 Jahre bestehen das Deutschlandradio und die roc, die Rundfunk-Orchester und Chöre GmbH, deren Hauptgesellschafter wiederum das Deutschlandradio ist. Natürlich musste dies gefeiert werden, im großen Rahmen der voll besetzten Kölner Philharmonie, mit Gästen aus der Politik und eben mit einem – wie oben angedeutet – ganz schön schwierig abzuwägendem Konzertprogramm mit möglichst edlen Künstlern.
Das Orchester war schnell gefunden, wofür gibt es roc. Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin wurde eingeladen, seit 2002 geschärft unter dem strengen Schliff des meist verbiestert dreinschauenden Marek Janowski, der in Köln seinen Kapellmeisterposten vorzeitig schmiss, als ein Kölschfähnchen aus dem Orchester hoch wehte – so ähnlich geht die Legende.
Die Spaßbremse blieb also daheim. Auf das Podest rückte ein unglaublich wilder, junger, energischer, erfolgreicher und momentan angesagter Dirigent aus dem baltischen Talente-Kader: Andris Nelsons, 30 Jahre jung, Chef in Birmingham, wo Rattle reifte, dirigiert Unter den Linden, an der Staatsoper Wien, in Covent Garden und 2010 in Bayreuth. Der Mann hat eine unbändige Kraft, und seine Bewegungen sind immer mächtig und groß: Er springt auch für einen piano-Akzent zwanzig Zentimeter in die Luft. Seine Atemgeräusche zischen wie eine gestopfte Trompete, so druckvoll löst er die Spannung nach der Generalpause, um 100 Musiker auf den Schlag zupfen, klopfen oder blasen zu lassen. Mahlers 1. Sinfonie, der „Titan“, war gerade groß genug und exzellenter Stoff für seine dynamischen Talfahrten und die eingefroren langsamen Tempi, bei denen er das Musikantenheer bremst und schleppt und wieder anzieht – mit Kraft.
Für ein solches Raubtier musste noch ein herzhafter Solist her, der es ebenfalls krachen lassen kann. Und vielleicht auch noch das Auge betört? Gibt es so etwas? „Es“ heißt Sol Gabetta, sie sieht blendend aus, ist jung, explosiv und leidenschaftlich. Und international: Die Argentinierin stammt aus einem französisch-russischen Elternhaus und lebt in der Schweiz. Sie spielte das anspruchsvolle wie selten zu hörende Violoncellokonzert des Tschechen Bohuslav Martinu, ein fetziges, rhythmisch vertracktes und tänzerisches Werk, virtuos aus den Saiten gesägt und den Hörern direkt in die Herzen gepflanzt, obwohl es keiner kannte: Das ist selten!
„Deutschlandradio macht wach, ohne Krach zu machen“, meinte launig Jürgen Rüttgers in einer kurzen Laudatio auf Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur. Da können sich Radiohörer aller Länder nur anschließen. Sol Gabetta sagte es in ihrer Zugabe musikalisch: Die Cellistin sang mit glockig zartem Sopran zu einer nordisch traurigen Cellomelodie von Petris Vasks einen sanften Zwiegesang, bei dem niemand schlafen wollte.
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