In den Pyrenäen erinnert ein Etikett an den Literaturkritiker und Philosophen Walter Benjamin. Den nach ihm benannten Wanderweg passierte er auf der Flucht vor den Faschisten, in der Hoffnung auf ein sicheres Asyl. Die Umstände, unter denen Benjamin auf dieser Flucht ums Leben gekommen ist, gelten als nicht abschließend geklärt. „Der Weg über die Pyrenäen, der ihm Rettung sein sollte, ist jetzt eine Art kapitalistischer Sticker, dessen Einverleibung ich beim Gehen spüre und loswerden möchte“, urteilt Marica Bodrožić, die diesen Weg ging. Auf dieser Grundlage verfasste sie ihr Buch „Die Arbeit der Vögel“, aus dem sie im Literaturhaus Dortmund las.
Das Vorsprachliche
Bodrožić nimmt den letzten Weg Benjamins zum Anlass, über Krise, Flucht und Krieg nachzudenken. Benjamin war einerseits Europäer, als sich Deutsche und Franzosen auf den Schlachtfeldern niedermetzelten, zugleich war er als Jude (und Linker) ein Ausgesetzter. Bodrožić erzählt auch von den Weggefährt:innen, mit denen Benjamin in Kontakt stand, etwa von der deutsch-jüdischen Widerstandskämpferin Lisa Fittko oder der Philosophin Hannah Arendt. Bodrožić eröffnet in ihren „Seelenstenogrammen“, so der Untertitel, einen Dialog, der in Benjaminscher Dialektik das Verhältnis zwischen innerem Erleben und äußerer Wirklichkeit auslotet. „Es ist wichtig, in unserer Zeit nicht die innere Landschaft zu verlieren“, so die deutsche Schriftstellerin kroatischer Abstammung, „es gibt eine Art, auf der Welt zu sein, die der äußeren Welt vorangestellt wird“, eine vorsprachliche Dimension.
Politischer Kern
Das mag esoterisch klingen. Bei Benjamin blieb trotz seiner Beschäftigung mit Filmkunst und Reproduktionstechnik, dem Dialektischen Materialismus oder der Traumdeutung ein theologischer bis metaphysischer Kern, den sein Freund Bertolt Brecht spöttisch andeutete: „Alles Mystik bei einer Haltung gegen Mystik.“ So greift Bodrožić von Benjamin lancierte Begriffe wie „Aura“ oder „Eingedenken“ auf, um sie gegen vergangene und gegenwärtige Barbarei zu richten. Damit wolle sie das Bild vom weltfremden Benjamin überdenken. Dass er sich als Ausgesetzter einem Vorsprachlichem gewidmet habe, sei kein Zeichen von Weltfremdheit: „Dadurch entsteht erst ein Bewusstsein“, so Bodrožić, das in diesem Dialog der Sinne einen politischen Kern ausmacht: „Die Barbarei des 20. Jahrhunderts hat so viel davon auslöschen wollen.“
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