Kaum eine Region fühlt sich so verbunden als Einheit wie das Ruhrgebiet – in guten wie in schlechten Zeiten. Selbst eine eigene Hymne besitzt das Revier, das gegen Ende des 19. Jahrhunderts von vielen osteuropäischen Arbeitern überzogen wurde, um hier in den Zechen einzufahren in das fremde Land und das schwarze Gold zu fördern. Auch die Musik gräbt wirkungsvoll seit langen Zeiten nach eigenen Wurzeln, allerdings ohne Helm und Hacke. Ganz besonders berühmt waren die ungarischen Volksmusikforscher, die einen reichen Schatz in intensiver Feldforschung bei den Bauern auf dem Land und von umherziehenden Zigeunerkapellen ablauschten, transkribierten und so dem zwangsläufigen Vergessen entrissen. Die Ungarn waren immer besonders verliebt in ihre Volksmusik, eine Liebe, die sich lohnte. Die Neue Philharmonie Westfalen erinnert jetzt an das Ungarische in der Musik.
Passenderweise betreut das Orchester, das 1996 aus einer Zusammenlegung der Orchester aus Recklinghausen und Gelsenkirchen entstand, im Musiktheater im Revier die Aufführung der Cárdás-Fürstin. Da passt ihr Sinfoniekonzert mit den Werken von Bartók, Liszt und Kodály hervorragend in die bereits gepfefferte Spiellaune dieses knapp 130 Musiker starken Ensembles, das in der laufenden Spielzeit mit neuem Generalmusikdirektor an den Start ging. Rasmus Baumann ist allerdings als bisheriger Chefdirigent am Musiktheater im Revier wiederum auch ein alter Bekannter. Er bestreitet jetzt mit dem u.a. auch vom Land und vom Kreis Unna getragenen Orchester einen Großteil der rund 300 Veranstaltungen, die diese fleißigen Musiker realisieren. Und die Philharmonie spielt seit Jahren international eine Rolle als Begleitorchester für die großen Stars der Oper und des Konzertsaals: Sei es Anna Netrebko oder Elina Garanca, Weltpianist Lang Lang oder sogar Jazzikone Herbie Hancock, die Neue Philharmonie kann alle bedienen und begeistern.
Jetzt hat sie Bernd Glemser, den sympathisch bescheidenen Pianisten und Spezialisten für osteuropäische Virtuosenliteratur, eingeladen, ein wahres Feuerwerk am Flügel zu entzünden. Obwohl Franz Liszt das Leben eines Weltbürgers liebte und gleich von mehreren Nationalitäten als Sohn adoptiert wird, hat er sich stets an ungarischen Tänzen und Rhythmen berauscht und letztlich auch um die Musikerausbildung in Ungarn verdient gemacht – obwohl kein Tropfen ungarisches Blut in seinen Adern floss und er auch des Ungarischen nie mächtig war. So war Liszt auch eine Art Cárdás-Fürst, zumindest in ungarisch-nationalem Sinne eine Mogelpackung. Glemser wird eine entsprechend glamouröse Stretta im Klavierkonzert Nr. 2 auf Hochglanz polieren, mit Oktavpassagen, wuchtig gestemmten Akkorden und rauschenden Glissandi: Einfach unwiderstehlich.
Mo 2.2. 19.30 Uhr | Musiktheater im Revier (Gelsenkirchen)
Di 3.2. 20 Uhr | Ruhrfesthaus in Recklinghausen
Mi 4.2. 19.30 Uhr | Konzertaula in Kamen
Info: www.neue-philharmonie-westfalen.de
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