Als Deutschlands größte, bekannteste und beliebteste Musikmesse, die Popkomm, kurz nach der Jahrtausendwende von Köln nach Berlin umzog, konnte man nicht davon ausgehen, dass sich die damals rasch aus dem Boden gestampfte Nachfolgemesse, die c/o pop, langfristig und gleichwertig würde etablieren können. Zunächst waren alle in NRW entsprechend traurig. Eigentlich waren zu dieser Zeit ohnehin alle in der Musikbranche traurig, schließlich hatte man schon mitbekommen, dass das mit dem Internet alles nicht so gut sein könnte für das eigene Geschäftsmodell. Da halfen auch keine Sachbücher von Tim Renner, ehemaliger Universal-Chef und heutiger Kultursenator Berlins, der damals einer nervösen Branche zu erklären versuchte, dass die fetten Jahre vorbei seien.
Dass aber diese Veranstaltung nun bereits in ihr zwölftes Jahr geht, spricht – trotz Auflösung, Rückbau und Umzug der großen Plattenfirma EMI – dafür, dass Köln weiterhin eine Rolle im Musikzirkus spielt. Obwohl das super abgedroschen klingt. Nach zwölf Jahren, in denen die Veranstaltung sukzessive, aber in sehr gesunden Maßen, gewachsen ist, darf man sich aber darüber freuen.
Denn neben dem großen und bedeuten Fach- und Business-Aspekt der c/o pop, der sogenannten Convention, ist die Veranstaltung heute vor allem ein Musik-Festival mit einem stets sehr ausgezeichneten Line Up, das sich in seiner Komposition von allen anderen Festivals unterscheidet. Das liegt vor allem daran, dass man sich in Köln an ein erwachseneres Publikum wendet, was eigentlich immer eine schlaue Entscheidung ist.
Dem Festival-Booking der c/o pop aber dürfen wir 2015 tatsächlich ein sehr ausgesprochenes Lob machen, man sollte und müsste sich eigentlich sehr viele Tickets für fast alle Konzerte kaufen – hier mal ein paar Empfehlungen: Schon lange ausverkauft und daher nur noch illegal (oder durch sehr gute Kontakte) zu besuchen, sind die beiden Shows von AnnenMayKantereit, was verständlich ist.
Neben weiteren Künstlern wie William Fitzsimmons, José Gonzalez oder Tom Odell aber müssen wir an dieser Stelle vor allem zwei Gruppen erwähnen: Zum einen die mittlerweile überall besinnungslos geliebten Wanda aus Wien, die über all das singen, was es heute kaum noch öffentlich gibt, nämlich den Schmutz und den Tod. Zum anderen das fulminante Piano-Electronica-Duo der Grandbrothers, die auf dem sehr erwähnenswerten Berliner Label FILM in diesem Jahr ihr Debüt feierten und nun durch Europa touren. Gemeinsam mit dem Pianisten Lambert (auch super!) spielen sie am 22. August im Sendesaal des WDR Funkhauses.
Ihr schönes kleines Indie-Label Problembär Records hingegen verließ die Band Wanda jüngst, um fürs zweite Album zur großen Universal zu gehen – in Berlin gab es dazu ein Showcase mit viel zu wenigen, nicht tanzenden Universal-Angestellten. Geld verdienen geht also – auch im zwölften Jahr der c/o pop – irgendwie noch immer.
c/o pop | 19.-23.8. | diverse Orte | Köln | www.c-o-pop.de/festival/
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