15 Jahre war sie auf der Bühne des Gelsenkirchener Musiktheaters nicht mehr zu erleben, dabei soll sie laut einer Fernsehumfrage „die beliebteste Oper aller Zeiten“ der Deutschen sein: Giuseppe Verdis „La Traviata“. Der Schweizer Stephan Märki, Schauspieler, Regisseur und seit letztem Sommer Direktor des „KonzertTheaterBern“, sollte für eine glänzende Rückkehr des tragischen Publikumslieblings nach Gelsenkirchen sorgen. So wollte es Intendant Michael Schulz. Doch Märki zog kurzfristig seine Zusage wieder zurück, und Schulz nahm selber auf dem Regiestuhl Platz. Es war wohl eine Notlösung, diesem Eindruck kann man sich kaum entziehen angesichts dieser wenig inspirierten Inszenierung. Schade, denn auf der musikalischen Seite gibt es herausragende Leistungen zu würdigen. Chefdirigent Rasmus Baumann hat den Ehrgeiz, etwas Besonderes zu bieten. Er nahm sich Verdis Originalpartitur gründlich zur Brust, entschlackte sie von eingeschliffenen Interpretationskonventionen, die der Komponist so nie vorgesehen hatte, und strebte nach einer „frischeren und weniger leidenden“ Wiedergabe. Die Mühe hat sich gelohnt, und das erfreuliche Ergebnis ist mit den Ohren gut nachvollziehbar. Die Neue Philharmonie Westfalen bietet ein ausgewogenes Klangbild und arbeitet viele Feinheiten schön heraus. Auch der Chor (Leitung: Christian Jeub) klingt geradezu phänomenal gut und beeindruckt mehr als mancher Solist. Die Solistenriege bietet unterdessen kein einheitliches Bild. Alexandra Lubchansky singt die „Violetta“ mit ausdrucksstarkem lyrischem Sopran, allein einige Koloraturpassagen wirken etwas angestrengt. Mit Günter Papendell agiert an ihrer Seite ein solch vitaler und strahlender „Giorgio Germont“, dass er den rumänischen Tenor Daniel Magdal als Alfredo, ein Neuzugang des Gelsenkirchener Ensembles, glatt in den Schatten stellt. Papendell ist die Stimme dieser Produktion. Magdal hingegen singt bei der Premiere so verhalten und vorsichtig, dass man sich fragen muss, ob der Schal um seinen Hals tatsächlich nur zum Kostüm gehört. Immerhin fasst er im Laufe der drei Akte hörbar Selbstvertrauen, bleibt aber bis zum Ende eher blass.
Damit passt er recht gut in das arg reduzierte Bühnenbild von Dirk Becker, das während der Ballszene im ersten Bild optisch noch etwas hermacht, danach aber eher durch Abwesenheit glänzt, ohne erkennbares Konzept dahinter. Im Gegenteil: Das regelrechte Kasperletheater, das Regisseur Schulz im zweiten Bild veranstaltet, indem er seine Darsteller unvermittelt auf einer schmucklosen Mauer erscheinen und wieder dahinter verschwinden lässt, erscheint ebenso albern wie hilflos. Schulz mag die Handlung, die er aus ihren ursprünglichen Zeitkontext herauslöst, aufs Wesentliche reduziert haben wollen. Letztlich aber verschwindet dabei auch die szenische Umsetzung fast vollständig. Als Essenz dieser Inszenierung bleiben die Geldscheine übrig, die immer wieder vom Himmel regnen. Allein das Geld regiert die Welt. Auf diese Idee hätte man glatt selber kommen können.
„La Traviata“ I So 11.3., 18 Uhr I Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen I 0209 409 72 00
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