Flugkapitäne und Lockführer ließen uns als Verbraucher im Herbst gern teilhaben an Furcht und Nöten. Und wir fragten uns: Wo sind sie geblieben, Tugenden wie Streitkultur oder Streikkultur? In den Orchestern deutscher Landen bleibt es relativ ruhig, kaum jemand ist so straff organisiert und geschützt wie der Orchestermusiker in festem Lohn und Brot bei städtischen Einrichtungen oder Sender-Ensembles; niemand ist so ungeschützt wie der freie Musikus. Natürlich sägt die Säge der Spar-Politik beständig an den Sesseln der Musiker, man will verkleinern, zusammenlegen oder auflösen; ein Orchester ist teuer. So kommt es in Deutschland – wie in Frankfurt oder in Darmstadt – und auch weltweit zu Orchesterstreiks, überregional betrachtet z.B. in Rom oder in Kairo. Karlheinz Stockhausen inszenierte in seiner letzten Groß-Oper „Licht" die teilweise kulturverhindernden Einschränkungen der kreativen Arbeitsbedingungen in einem Opernstreik auf offener Bühne – so kommentieren die Künstler erlebten Ärger, werkimmanent mit dem lachenden Auge. Wie gingen denn eigentlich in der Zeit der Wiener Klassik die Geldgeber mit ihren Künstlern um?
Berühmt ist natürlich der Tritt in den Allerwertesten des Wunderknaben Mozart. Der unbeherrschte Fuß gehörte Graf Arco, dem Oberküchenmeister von Mozarts Salzburger Dienstherrn Fürsterzbischof Colloredo. Dieser sann danach nicht auf Besserung im Dienstfleiß, sondern eher nach Gelegenheit, „dem H. grafen wieder ingleichen einen tritt im arsch zu geben, und sollte es auf öffentlicher Gasse geschehen". Mozart suchte also auch die Öffentlichkeit.
Das beste Beispiel für eine diplomatische Lösung ohne unschuldige Opfer lieferte Joseph Haydn. Er diente ja mehr als drei Jahrzehnte dem Hause Esterházy, das im gleichnamigen, heute prächtig renovierten Schloss am Neusiedler See den Sommer verbrachte. Irgendwann hatte der Fürst keine Lust auf die Heimfahrt nach Wien, die Musiker wollten aber zu ihren Familien. Damals komponierte Haydn, der sich mangels Gewerkschaft als Kapellmeister auch um das Wohlbefinden seines Orchesters sorgte, seine sogenannte „Abschiedssinfonie": Im letzten Satz blasen die Musiker nach und nach während der Musik die Pultkerzen aus und entschwinden, die Bühne leert sich, die Musik wird immer dürftiger – am Ende kaputtgespart.
Der Fürst verstand, die Musiker durften zu den Lieben reisen – es weihnachtete nämlich sehr.
Diese schöne und lehrreiche Sinfonie spielen die Essener Philharmoniker. Buß- und Reuegebete fasst Mozart in einer Kantate zusammen, zu der Solisten und der Philharmonische Chor Essen geladen sind. Eröffnet wird das Konzert mit Schönbergs kurzem Melodram „Ein Überlebender aus Warschau".
4. Sinfoniekonzert der Essener Philharmoniker | Do 18.12., Fr 19.12. 20 Uhr | Philharmonie Essen | www.philharmonie-essen.de
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