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Weniger Müll ist Geld wert
Foto: Mm_201 / Adobe Stock

Recycling statt verbrannter Erde

24. November 2021

„Zero Waste Italien“ sagt dem Müll den Kampf an – Europa-Vorbild: Italien

Das Müllproblem hat in Italien fast schon Tradition. Das Bild vieler Städte prägen Straßen, die vor aufgerissenen Müllsäcken überquellen, Tonnen, die wochenlang nicht geleert werden, Menschen, die mit zugehaltener Nase die geschichtsträchtigen Straßen Roms und Neapels entlanglaufen. „Zero Waste Italien“ setzt dem seit 2007 endlich etwas entgegen. Statt organisierter Kriminalität und Müllverbrennungsanlagen soll Recycling das Problem lösen. In über 300 Städten konnte die Initiative bereits ein leistungsstarkes Abfallwirtschaftssystem ohne Verbrennung etablieren.

In Deutschland werden pro Kopf jährlich 609 Kilogramm Müll produziert. Damit landet Deutschland im weltweiten Vergleich auf Platz fünf. Das mag für die Bürger oftmals untergehen, denn ein Großteils des Mülls verschwindet schnell und effizient aus ihrem Blickfeld: Er wird abgeholt und dann in einer der 66 Müllverbrennungsanlagen verbrannt.

Das ist in Italien nicht möglich, denn hier fehlt es an einer derartigen Infrastruktur. Auf Sizilien etwa gibt es keine einzige Müllverbrennungsanlage. Das Errichten einer solchen scheitert oft am Aufbegehren der Bürger, aus Gründen des Umweltschutzes oder aus Angst vor Gesundheitsschäden. Das Problem in Italien ist aber, dass es kein alternatives Abfallsystem gibt. So landet der Müll entweder in Müllverbrennungsanlagen in Österreich oder aber auf illegalen Mülldeponien, die von der Mafia oder aber von Anwohnenden in Brand gesteckt werden. Besonders prekär sieht es rund um Neapel aus. Die Region wird aufgrund des Giftmülls „terra dei fuochi“ genannt – „verbrannte Erde“. Oft bleibt der Müll wochenlang dort, wo er eben liegt. Denn keiner weiß, wohin damit.

Vorreiterin der „Zero Waste“-Bewegung

Ganz anders sieht es in der Gemeinde Capannori in der Toskana aus. Sie gilt als Vorreiterin der „Zero Waste“-Bewegungen in ganz Europa. Bereits seit 2007 setzt sie statt auf Müllverbrennung auf Müllreduzierung – damit erst gar kein Müll anfällt, um den sich gekümmert werden muss. Für dieses Anliegen ist es sogar förderlich, dass es in Italien so wenige Müllverbrennungsanlagen gibt. Denn so sind viele italienische Städte nicht an langfristige Verträge gebunden und können frei entscheiden, wie sie mit dem Müllproblem umgehen wollen. In Capannori entwickelte „Zero Waste Italien“ eine Strategie, die nun in 324 weiteren Städten ebenfalls umgesetzt wird und von der über sieben Millionen Menschen profitieren.

Eine der treibenden Kräfte ist dabei Rossano Ercolini. Als in den 90er Jahren zwei Müllverbrennungsanlagen in Capannori gebaut werden sollten, ging er mit anderen Mitstreitern auf die Barrikaden. Sie suchten nach besseren Möglichkeiten, als den Müll zu verbrennen, und ließen sich von dem New Yorker Professor Paul Connett beraten, der der sich gerade formierenden „Zero Waste“-Bewegung angehörte. Mit ihm zusammen entwickelten sie eine Strategie, die vor allem zehn Punkte umfasst, um den Müll auf ein Minimum zu reduzieren, und die sowohl die Bürger, die Gemeinde als auch die Politik einbezieht.

Reduzierte Müllmenge und gesunkene Müllsteuern

Wesentlich für die Strategie ist, dass der Müll direkt an der Haustür abgeholt wird und dass die Bewohner nur so viel an Gebühren bezahlen, wie sie Müll produzieren. Das bedeutet: Je weniger Müll anfällt, desto weniger bezahlen sie. Dafür werden den Einwohnern kostenlose Mülltüten mit integrierten Mikrochips bereitgestellt. Mit einem Scanner im Müllwagen wird so erfasst, wer wie viel wegwirft. Allein das reduzierte die Müllmenge innerhalb von zehn Jahren von zwei Kilogramm täglich pro Kopf auf 1,2 Kilogramm. Außerdem sanken die Müllsteuern insgesamt um ein Fünftel.

Relevant für diese Strategie ist aber auch: Es handelt sich nicht um einen einfachen Appell an die Bürger, weniger zu konsumieren und wegzuwerfen. „Zero Waste Italien“ sieht ganz klar die Politik in der Verantwortung, die Weichen dafür zu stellen – etwa durch Regelungen für Unternehmen, bereits mit weniger Plastik zu produzieren. Der Erfolg der Initiative ist erstaunlich: Obwohl das Müllproblem in Italien tiefliegend und eng mit der Mafia verwoben ist, konnte die Initiative einen Vorschlag entwickeln und umsetzen, der weitaus zukunftsträchtiger ist, als den Müll einfach zu verbrennen oder in ärmere Länder zu exportieren.


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Lidia Polito

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