Juli ist 15 und möchte sterben. Die Jugendliche steht auf einer Grünbrücke, einer bewachsenen Autobahnbrücke für Wildtiere. Eigentlich ist diese Brücke zum sicheren Überqueren der Fahrbahn für Rehe und Wildschweine gedacht. Juli möchte sich hier in den Tod stürzen. Und sie springt – direkt vor die Motorhaube von Hellas Passat. Hella ist Seniorin, ehemalige Schlagersängerin und auf dem Weg in die Schweiz, genauer gesagt in ein Sterbehospiz in Zürich. Damit beginnt Ronja von Rönnes Roman „Ende in Sicht“ (dtv) und zugleich der Roadtrip des ungleichen Paares, das wenig verbindet – außer dem Wunsch zu sterben. Beide stehen an ganz unterschiedlichen Lebensabschnitten: Wieso wollen die Figuren ihrem Leben aktiv ein Ende setzen?
„Warum weitermachen wollen in einer Welt, in der es eigentlich niemand interessierte, ob man weitermachte“, denkt Juli an einem Punkt des Trips. Beide Figuren sind eher Alleingängerinnen und vor allem frustriert vom Leben. Hella hat auch die letzte Aktivität verloren, die ihr Freude bereitet hat: Nach einem vergeigten Auftritt will sie nicht mehr performen. Der Ex-Popstar mit lila Haaren hat keine Tagesstruktur, nichts worauf sie sich freut und fälscht letztendlich ärztliche Atteste, um Freitodhilfe gestattet zu bekommen. Das Leben kann Hella nichts mehr bieten – das denkt auch die viel jüngere Juli. Auch wenn es nie konkret benannt wird, verkörpern die beiden die Auswirkungen von schweren Depressionen: Geliebte Aktivitäten machen keine Freude mehr, nichts treibt sie noch an und die Zukunft scheint aussichtslos. Ronja von Rönne geht mit ihrer eigenen Erkrankung sehr ehrlich um, auch um das Thema zu entstigmatisieren. Denn jedes Jahr erkranken rund 5 Millionen Menschen in Deutschland an Depressionen. Diese können einige Wochen oder sogar Jahre dauern. Von Rönne schreibt in ihrer Danksagung, das Buch sei „nicht wegen, sondern trotz dieser Scheißkrankheit entstanden“ und sagt auch, dass niemand Depressionen aushalten müsse, dass es Hilfe gebe.
Die Charaktere ihres Buches finden schließlich ineinander Hilfe – auch wenn sie sich anfangs nicht mal mögen. Trotz schwerer Thematik findet von Rönne kuriose Momente mit exzentrischen Figuren, die mehr Facetten zeigen als nur ihre Krankheit.
Ronja von Rönne: Ende in Sicht | dtv | 256 S. | 22 €
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