Denken wir die Sache doch mal konsequent zu Ende. Schluss mit den Vaterfiguren! Befreien wir uns von Bill Gates und Steve Jobs. Befreien wir uns von Knigge, von Altherrenbünden und Männern in Uniform, von Gottesbildern und Gurus, von Chefs, Trainern und Oberlehrern. Was bringt diese ewige Vaterhörigkeit denn schon, das wir nicht selbst aus freien Stücken erreichen könnten?
Wohin die Sehnsucht nach dem großen Übervater führt, hat man ja kürzlich gesehen. Nein, ausnahmsweise ist nicht Adolf gemeint, sondern Bill. Also Bill Cosby. Jahrzehntelang war er in der Rolle des Heathcliff Huxtable der Inbegriff des netten Daddies. Selten streng, immer witzig, mit viel Herz und einem Ohr für die kleinen Nöte. Ja, sogar meinen zukünftigen Ehemann hatte ich mir immer vorgestellt wie den guten alten Cliff. Liebevoll, albern und ein bisschen frivol, sobald die Kids im Bett sind. Und was bleibt nun, zehn Jahre nach den ersten öffentlichen Vorwürfen gegen den Schauspieler wegen sexueller Nötigung? Endlich ein Schuldspruch, aber eben auch ein weiteres zerstörtes Vorbild, Millionen enttäuschte Menschen und nie wieder endlose Wiederholungen der Cosby-Show im TV.
Schluss mit Daddy Cool, neue Erzählungen müssen her. Am meisten leiden doch die Väter. Was sollen sie nicht alles gleichzeitig sein: Spielzeugeisenbahner, Geldscheffler, Prepper, He-Man, Freiheitskämpfer, moralische Instanz, Gespensterverjager, und ein cooles Auto müssen sie auch haben. Mit WLAN, ohne Diesel. Das ist eine Menge verlangt vom Durchschnittsmenschen. Und dann diese Verantwortung! Lieber streiten mit der Kindsmutter oder gleich die Trennung, lieber alles ignorieren und 24/7 im Büro bleiben oder zu Hause jeden an die Wand dominieren – alles falsch und doch kein Entkommen.
Ganz schlimm ist es, wenn Du Stiefvater wirst – damit steigerst Du laut Statistik die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind ein Totschläger wird, ums Hundertfache. Und dann noch die Biologie! Mäuse, die durch den Einsatz leichter Elektroschocks Angst vorm Geruch von Kirschen erlernten, bekamen Nachwuchs, welcher ebenfalls Angst vor diesem Geruch hatte – ohne jemals zuvor Kirschen gesehen oder gerochen zu haben. Das heißt „transgenerationale Traumatisierung“ und bedeutet, selbst wenn Du Dir größte Mühe gibst, irgendwas Schlimmes wird in Deinem Kind schon zum Vorschein kommen. Danke nein, Gene sind was für Looser.
Machen wir uns frei, erfinden wir uns neu. Sei lieber Peter als Papa, lieber Klaus als Paps, Mann ist schließlich mehr als nur seine Rolle. Ein ganzer Kerl bist Du, wenn Du ein Load E-Cargo-Bike von Riese und Müller für mindestens fünftausend Euro pilotierst. Dieses Elektro-Lastenfahrrad ist das neue „It-Piece“ unter den Hipstern in der Elternszene – und bietet zusätzlich zum Platz für Baby plus Bierkasten auch den Turboboost fürs Daddy-Ego. Damit läuft‘s, ganz ohne Anstrengung.
Und wenn man dann endlich soweit ist, dass man‘s ganz locker nehmen kann, fällt einem auf: Die Kinder erziehen sich schon selbst und gegenseitig, und zum Lieben muss man kein Vaterschaftsattest haben. Weg mit den formelhaften Ansprüchen, hinfort mit den traditionellen Patriarchalstrukturen. Es lebe die freiwillige Bindung. Was zählt, sind die Bedürfnisse der Kids, und die Bedürfnisse der für sie sorgenden Menschen. Verantwortung ja, Vaterklischees nein. Her mit frischen Worten und mit individuellen Wegen. Männer, erfindet Euch neu – so wie der eigene Vater wolltet Ihr doch eh nie werden.
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