Die Sensation kommt ziemlich zum Schluss der großartigen Retrospektive zu Ferdinand Hodler (1853-1918). Erstmals seit 50 Jahren ist sein riesiges Gemälde „Auszug der deutschen Studenten in den Freiheitskrieg von 1813“ (1908-09) wieder in einer Ausstellung zu sehen. Von Hodler als Auftragsarbeit für die Universität in Jena angefertigt, hängt es ansonsten in der dortigen Aula, wo es eine wechselvolle Geschichte hinter sich hat. Es wurde in seinen Entstehungsjahren kritisiert, weil Hodler Schweizer und nicht Deutscher war. Im Ersten Weltkrieg wurde es verhängt, weil Hodler ein Manifest gegen die Kulturzerstörungen der deutschen Armee unterschrieben hatte. Nach 1919 wurde es wieder freigelegt, aber später im Dritten Reich und dann in der DDR propagandistisch vereinnahmt.
Bei allem Weltfremden vieler seiner Figuren nehmen Hodlers Malereien doch immer Bezug auf ihre Zeit. Die Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn macht klar, wie sehr der große Schweizer Künstler seine Themen in eine neue, moderne Formsprache übersetzt hat. Dazu trägt sein Gespür für die Darstellung von Bewegung bei. Die Figuren, die fast immer langgestreckt und ausgemergelt und mit wahren Charakterköpfen ausgestattet sind, treten exaltiert und entrückt auf. Sie strecken sich, breiten die Arme auseinander, ein körperlicher Impuls erfasst den ganzen Körper, unterstrichen durch den Gesichtsausdruck. Dazu wendet sich Hodler den entsprechenden Personengruppen zu, zu denen er über die Jahre immer wieder Gemälde anfertigt. Ein Holzfäller schwingt eine Axt. Frauen, die an die anthroposophischen Strömungen ihrer Zeit erinnern und im Bildtitel mit Attributen versehen sind, tanzen oder bewegen sich tastend im Bildraum. Auf einer Bank sitzen fünf Männer gebeugt und in sich versenkt – „Die Lebensmüden“ (um 1892) –, gemalt als extremes Querformat: Mit solchen Gemälden hat Franz Hodler als Hauptvertreter des Symbolismus und des Jugendstils Berühmtheit erlangt. Der Ruhm stellte sich nach und nach ein; vor allem die Ausstellung 1904 in der Wiener Secession hat ihn international bekannt gemacht. In seiner Heimat wurde er 1908 eingeladen, Banknoten zu gestalten, 1920 erhielt er den Ehrendoktortitel in Basel und 1917 eine große Retrospektive im Kunsthaus Zürich. Berühmt ist Hodler bis heute vor allem mit seinen monumentalen Wandmalereien und den oben genannten lebensgroßen Motiven, zu denen noch die Naturdarstellungen mit blühenden Wiesen, Bergen und Seen kommen, die mit ihrem tiefliegenden Himmel in ihrer Leere und Weite eine spirituelle Dimension vermitteln und doch als Orte in der Schweiz identifizierbar sind. Anlass der Bonner Ausstellung, in der all diese Sujets ausgiebig vorgestellt werden, ist der 100. Todestag Hodlers. Aber auch unabhängig davon ist eine Schau seiner Werke fantastisch und sehenswert
Ferdinand Hodler. Maler der frühen Moderne | bis 28.1. | Bundeskunsthalle Bonn | www.bundeskunsthalle.de
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