Bereits im Juli beschäftigte uns die These: Festspiele essen Tageskultur auf! Es ging um die schlecht besuchten Konzertsäle all überall, um die Manager und um mögliche Ursachen. Die Lenker in diesem Spiel mit der „Klassischen“ Musik setzen auf ambitionierte Programme, das große Publikum bleibt zu Hause und träumt von Operettenseligkeit. Oder die Fans nutzen die einstigen Ferien und besuchen Festspiele und Festivals – ihre Zahl steigt ständig an.
Verschiedene feste Häuser wie z. B. in Baden-Baden setzen ihrerseits selbst auf Festivals, deklarieren Festwochen oder Themenkomplexe als touristische Events. Städtische Spielstätten wie die Philharmonie in Dortmund haben sich der Eventkultur geöffnet, als der hochtrabende Kulturbetrieb einfach nicht laufen wollte. Hier arbeitet die Regie für das Volk, ohne auf die in diesem Falle konzertanten Spitzenprodukte zu verzichten: eine Mischkalkulation. Längst spielen in den meisten Philharmonien in den Sommerwochen, die einst für Instandsetzungsarbeiten und Pflege genutzt wurden und den Städten ein kurzes Verschnaufen erlaubten, populäre „Sommerträume“, die als fertige Produktionen en suite zu buchen sind und von Haus zu Haus reisen. Der Zeitplan und damit die Auslastung der Häuser wurden optimiert. Die frühere „Spielzeit“ ist für den Konsumenten Schnee von gestern.
Der Markt mit der Kultur wächst ständig. Die Elbphilharmonie in Hamburg ist bereits vor ihrer Fertigstellung ein Politikum und dank Kostenexplosion in aller Munde. Nur „die Krise“ konnte just in Bochum und Bonn den Bau zweier neuer Konzerthäuser vorläufig aufhalten – wobei die Bochumer Sinfoniker ein lang erwartetes Zuhause und Beethoven ein neues Festspielhaus sicher verdient hätten. Aber auch diese Häuser müssten ja ausgelastet werden – ein Dilemma?
Die Natur regelt die meisten Dinge. Der kulturell interessierte Mensch entscheidet selbst, welcher Verführung er erliegen möchte. Die Eventkultur hat momentan die Nase vorn, auch weil Festivals den Kunden viel konkreter führen. Wer jetzt zum Festspielsommer nach Salzburg reist, der weiß eines ganz sicher: Der Tisch ist qualitativ hochwertig und bunt gedeckt, das Angebot vielfältig. Das rund zweihundert Seiten starke Programmbuch einer Philharmonie erschlägt den Kunden. Aber anstatt die Events der Nachfrage auch nur geringfügig anzupassen, wird in vielen Häusern munter weiter produziert. Nicht nur in Essen sind irgendwann die Drähte zwischen Intendanz und Politik durchgeglüht, als der Intendant über Nacht vor die Tür gesetzt wurde; auch keine Lösung, denn dadurch werden die Konzerthallen nicht voller.
Festspiele wecken regionales kulturelles Engagement und kreative Kräfte. Und sie ziehen ihr Publikum an, weil sie für das Publikum erfunden wurden. Bei städtisch subventionierten Kulturbetrieben wurde dieses Urprinzip eines Kulturevents zu Gunsten der Kunst zurückgedrängt, das ambitionierte Programm und sein Publikum driften sichtbar immer weiter auseinander.
Die Manager sind aufgerufen, diesen Umstand nicht nur zu bemerken, sondern strategisch darauf zu reagieren. Ein Konzerthaus ohne Zuhörer gleicht einer Trauerhalle, in der die Kunst aufgebahrt wird. Dabei sollte dieser Ort nicht dem Abschied, sondern dem Anfang gewidmet sein – dem der Freundschaft zu guter Musik.
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