Vanessa ist wegen augenscheinlich nichts durchgedreht, liegt sie doch aktuell mit einem Nervenzusammenbruch in der Krisenstation einer Psychiatrie. Dabei ist niemand gestorben. Auch ist sie nicht schwer krank. Der Grund: Für ein Minigehalt rackert sie trotz Studiums seit über zehn Jahren Tag und Nacht durch, weil es den Kapitalismus noch immer gibt, um es kurz zu fassen. Jede Fahrt ihres ungeliebten Kompromiss-Jobs – andere gibt es seit zehn Jahren nicht – kostet sie 55 Minuten ihres nun wertlosen erscheinenden Lebens, das sie nicht mehr zu führen scheint, geht sie doch nicht mal mehr aus. Ihre Augen sind von tiefen Ringen schattiert, dabei ist sie erst schlappe 35.
Wer ist sie?
Hinzu kam das Ende einer toxischen Beziehung – weshalb sie jetzt zusätzlich eine Belastungsstörung hat. Immer schlimmer wurde das ständige Abwerten, die Streitereien und schließlich die Drohungen. Jahrelang wurde sie privat manipuliert. Damit sie die immer teurer werdende Stadtwohnung für nun auch ohne Freund halten kann, ohne obdachlos zu werden, nahm sie einen weiteren Job obendrauf an. Worum geht es in diesem Fetzen Leben eigentlich? Oft hat Vanessa überlegt, alles hinzuschmeißen. Etwas zu tun, was ihr wirklich Spaß bereitet. Doch sie findet nichts anderes. Oder hat sie gar nicht erst gewagt, sich wirklich eine Alternative zu überlegen? Weiß sie überhaupt, was sie will? Wer sie ist?
Sie arbeitet schattenhaft weiter, wie eine Maschine. Aber Technik wird gesatttet, festzuhängen oder kaputtzugehen. Sie wird dann repariert oder ersetzt. Dem Menschen Vanessa jedoch ist das nicht vergönnt. Dennoch hat sich ihr System gerade ebenfalls verabschiedet. Ob sie Freunde hat? wird sie in der Nervenheilanstalt gefragt. „Wenig. Nur ein paar bleiben übrig“, antwortet Vanessa im aufgeputschten Zustand. Die letzte Beziehung fühlte sich wie ein jahrelanger schlechter, irritierender Witz an. Sie fühle sich im Rad gefangen und ausgebeutet. Was bliebe, seien Pillen, sagt der Psychiater. Medikamente und Ruhephasen.
Neuanfang
Pausen kann sie weiterhin nicht machen. Psychopharmaka, um weiter mitstrampeln zu können in der never ending Wettbewerbsgesellschaft? So sollte diese Generation ernsthaft überlegen, ob das das Einzige ist. Denn, wer nur arbeiten kann, wenn er sich dazu gleichzeitig Medikamente hineinpfeffern muss, bei dem scheint etwas falsch zu laufen – im Beruf wie im Leben. Das Ende ihrer ohnehin nicht guttuenden Beziehung sollte sie hingegen als positiven Neubeginn sehen. Somit gehört Giftiges der leidigen Vergangenheit an. Schließlich ist jeder Schluss ein neuer Anfang.
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