Sie bot ihr Leben lang ein gutes Beispiel dafür, dass es sich lohnt, für eine eigene Sache einzutreten. Elke „Mascha“ Blankenburg, seit 1970 Kantorin einer evangelischen Gemeinde in Köln, war kein Ja-Sager. Bereits in ihren Startjahren und in den zwei Jahrzehnten ihres Kirchendienstes bot sie ihrer Gemeinde eine moderne Form seelsorgerisch-musischen Engagements. Die energische Dame, gebürtig aus einem Allgäu-Örtchen, ganz in der Nähe des verschlafenen Kurortes, in dem die Wiege des Filmrevolutionärs Rainer Werner Fassbinder schaukelte, fühlte sich neben ihrer Kantorentätigkeit auch immer als Künstlerin.
So entwickelte sie ihren „Kirchenchor“ über die Jahre zur „Kölner Kurrende“, einem semiprofessionellen Ensemble, mit dem sie in der Kölner Chorlandschaft dank ihrer emotional ergreifenden Aufführungen besonders für ein junges Publikum zur Dirigentinnen-Ikone aufstieg. Ein weiteres kleines Ensemble, nach Isabella Leonarda benannt, wurde für die Ältere Musik gegründet, um auf breitem Felde Sturm zu laufen für die Rettung wunderbarer Musiken, die aus einem einzigen Grunde in einem Dornröschenschlaf verhaftet waren: Ihre Urheber waren Frauen, Komponistinnen nämlich.
Um die Werke zu beleben, musste Mascha zuerst die schriftlichen Zeugnisse in den internationalen Archiven aufspüren und heben. Ihre Arbeit sicherte sie sich ab durch die Gründung eines „Internationalen Arbeitskreises Frau und Musik“. In Unna, wo sie als erste Stadtmusikerin eine „Internationale Komponistinnen-Bibliothek“ aufbaute, initiierte sie ein Frauenmusik-Festival.
Als Mascha 1980 trotz einiger Widerstände ihr erstes Frauenmusikfestival in Köln und Bonn ausrief, führte sie als Höhepunkt eine komplette Oper von Francesca Caccini auf. Diese lebte von 1587 bis 1640, und diese älteste bekannte Oper einer Komponistin rief nachdrücklich in Erinnerung, wie lange die Unterdrückung solcher großartigen Werke schon währt. Berühmt sind die Lieder und Chöre der Fanny Mendelssohn, die teilweise in Sammlungen ihres Bruders Felix unter dessen Namen erschienen. Louise Farrenc und Lili Boulanger gehörten zu den heute wieder erwähnten Namen, für deren Werke Mascha sogar ein Orchester gründete, das „Clara Schumann Orchester“.
Genial, weil unendlich effektiv, war der universale Einsatz dieser Musikerin für ihre Entdeckungen: Sie grub aus, transkribierte, gab heraus und führte die Werke auf. Viele Einspielungen und Produktionen zeugen heute von dem Einsatz dieser kämpferischen Musikerin. In den letzten Jahren folgte konsequent noch ein Lexikon der zurzeit agierenden Dirigentinnen, und es wurde ein ansehnlicher Band. Mascha konnte fantastische Anekdoten über ihre frühen Konfrontationen mit der damals noch strengeren Männerdomäne „Orchester“ und über ihre ob Frau gestressten Dirigierlehrer erzählen. Sie besaß nämlich den Humor, der den vielleicht berechtigten Hass besiegen kann. Mit einer solchen Leichtigkeit gelingen Dinge, die einem akribischen Historiker oder einem perfektionistischen Dirigenten auf ewig verschlossen bleiben. Dass Fanny Mendelssohn-Hensel heute als Fanny Hensel bekannt ist, hat sie u.a. dem Einsatz der Mascha Blankenburg zu danken.
Autobiographischer Roman: „Tastenfieber und Liebeslust“ I www.mascha-blankenburg.de
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