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Poppea und Nero im Gerling-Quartier
Foto: Oper Köln

Tolle Tafelmusik

03. Dezember 2010

Die Kölner Oper gastierte im Speisesaal - Klassik in NRW 12/10

Manchmal gelingen aus der Not geborene Dinge über alle Maßen. Als die Kölner Oper wegen dräuender Umbaupläne den angestammten Sitz am Offenbachplatz für Jahre zu räumen hatte, begann eine wilde Jagd nach neuen Spielorten. Die Kinderoper residiert bereits erfolgreich in der Südstadt in dem architektonisch reizvollen Alten Pfandhaus, für das Große Haus mussten natürlich größere Objekte einbezogen werden. Eines dieser zur Diskussion stehenden Gebäude, das ehemalige Casino im Gerling-Quartier, eignete sich mit einer Sitzkapazität von 650 Plätzen für ein besonderes Projekt: Monteverdi stand auf dem Spielplan.

Als Gerard Mortier Karajan in Salzburg beerbte, hingen an seiner Reformer-Peitsche nicht nur Neutöner für die Opernbühne, sondern auch Renaissance-Musik auf originalen Instrumenten. Will sagen: Eine Oper von Monteverdi mit den zarten Klängen eines Originalklang-Orchesters ist für den Freund opulenten Musiktheaters nicht unbedingt ein Zuckerschlecken. Allein die in Sopranhöhen johlenden Countertenöre schüren Berührungsängste, und die unendlichen Arien mit zahllosen auskomponierten Stoßseufzern und wildesten Verzierungen als Virtuositätsbeweis der einstmals umjubelten Kastraten neigen leicht zu abstoßender Künstlichkeit und definieren zudem ein unvertrautes Zeitmaß. Von all dem war jetzt im alten Speisesaal der Versicherungsvertreter und Sachbearbeiter nichts zu spüren.

Der neue Spielort erfuhr ein so breit gestreutes Publikumsinteresse, dass alle Vorstellungen bereits vor der Premiere ausverkauft waren. Das kam einem Wunder gleich, denn Köln bleibt trotz eines jetzt neu gegründeten „Zentrum für Alte Musik“ eher vom Hörensagen die „Stadt der Alten Musik“. Ergo muss es der Reiz des Ortes gewesen sein, der Blick in die feudalen Räumlichkeiten einer klassizistisch-monumentalen Stadt in der Stadt, der die Zuschauer lockte. Der Konzern hatte sich diesen Firmensitz ab den Dreißiger Jahren Stück für Stück aufgebaut. Und die Räume sind tatsächlich spektakulär. Regisseur Dietrich W. Hilsdorf bezog die architektonischen Besonderheiten multimedial umgesetzt in seine Inszenierung mit ein. „Die Krönung der Poppea“, ein Ränkespiel um Kaiser Nero und seine Mätresse, baut als Intrigenspiel eine ganze Welt aus Lüge und Falschheit auf, das passte thematisch glänzend zum Versicherungsgeschäft. Der runde Saal mit einer zentralen Kuppel erzwang vom Bühnenbildner Dieter Richter, mit der lang gestreckten Bühne den Saal mittig zu teilen. Der Musikalische Leiter Konrad Junghänel teilte daraufhin auch sein Orchester in zwei Abteilungen, und auch das Publikum saß nun auf zwei Seiten: vor der Bühne oder hinter der Bühne, je nachdem, in welche Richtung die Darsteller agierten. Durch eine Gaze war die Bühne abgespannt, der Zuschauer hockte wie vor einem Aquarium, in dem hinreißend gespielt und gesungen wurde. Das vorgehängte Netz (der Intrigen) riss zum Finale, nackt und wahr und kalt glänzte das Bühnenlicht, die Realität führte die Katastrophe herbei. Selten griff ein Raum so massiv in die Inszenierung und besonders so wirkungsvoll in den Erfolg eines Stückes ein wie in dieser ersten Produktion im Ausweichquartier. Sängerstars wie Sandrine Piau als Poppea und Franco Fagioli als Nero genossen das Besondere, das Ensemble spielte insgesamt traumhaft. Das führte zum größten Opernerfolg in Köln seit langer Zeit.

Olaf Weiden
Olaf Weiden arbeitet als Musiker und Musikkritiker in NRW



Olaf Weiden

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