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Foto: Kirstin Jungmann

„Unsere Politiker sind dünnhäutig geworden“

26. Januar 2012

Peter Sander über den Karneval in Essen und anderswo – Thema 02/12 Karneval

Karneval nur im Rheinland und in Rio? Mitnichten. Der Vorsitzende des Festkomitees Essener Karneval Peter Sander spricht über die Verbreitung des Karnevals in Deutschland sowie über seine soziale und identitätsstiftende Funktion. Karneval nur als Vorwand für eine Sauforgie? Lutz Debus sprach mit dem Karnevalisten.

trailer: Herr Sander, funktioniert der Karneval im Schatten des Kölner Doms?
Peter Sander:
Der funktioniert sogar hervorragend. Der Fußball funktioniert ja nicht nur in Gelsenkirchen, sondern sogar auch in Köln. Auch im Revier gibt es Leute, die Spaß haben am Brauchtum, Wagen zu bauen, Veranstaltungen zu planen. So klein sind wir nicht. Wir haben allein in Essen in 33 Vereinen über 2.000 Mitglieder. Das spricht für den Ruhrgebietskarneval.

Arbeiten die Städte an der Ruhr zusammen, wie dies zum Beispiel beim Kulturhauptstadtjahr RUHR.2010 zu beobachten war?
Nein, da kocht noch jeder sein eigenes Süppchen. Auf Vereinsebene gibt es natürlich Kontakte. Ein Verein in Essen-Kray unterhält seit 33 Jahren schon eine Patenschaft mit einem Berliner Verein. Es gibt auch Verbindungen zu Vereinen in Holland und Belgien.

Berlin und Karneval?
Berlin und Karneval – und zwar nicht zu knapp. Wir haben 2010 in Essen die Tagung des Bundes Deutscher Karneval gehabt. Es sind 300 Karnevalisten aus ganz Deutschland nach Essen gekommen, und zwar vom tiefsten Allgäu bis nach Flensburg rauf. Karneval wird flächendeckend gefeiert.

Gibt es denn auch überall eine entsprechende Tradition?

Peter Sander
Foto: privat
Peter Sander (53) ist 1. Vorsitzender des Festkomitees Essener Karneval.

Nehmen wir wieder Fußball als Beispiel. Mutterland des Fußballs ist England. Trotzdem wird jetzt überall auf der Welt Fußball gespielt. Ähnlich ist es beim Karneval.

Geht es beim Karneval eigentlich nur ums Saufen?
Ach, ich würde Sie gern mal mitnehmen, wenn Karneval in Altenheimen, Behindertenheimen und in Heimen für Demenzkranke gefeiert wird. Wir engagieren uns viel im sozialen Bereich. Hunderttausende von Jugendlichen sind in Deutschland in Tanzgarden organisiert. Diese Jugendlichen werden von den Karnevalsvereinen von der Straße geholt.

Nimmt der Karneval auch die Lokalpolitik aufs Korn?
Unsere Politiker sind leider mächtig dünnhäutig geworden. Da wir aber auf diese Herrschaften mitunter auch angewiesen sind, muss man da sehr vorsichtig sein.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Mein karnevalistischer Traum wäre ein großer gemeinsamer Umzug aller Vereine im Revier über die A40 quer durch das ganze Ruhrgebiet. Wir hatten ja 2010 das Stillleben. Wenn Sie die Besucherzahl aller Umzüge hier zusammenrechnen, ist der Umzug in Köln mit der einen Million Besuchern ein Fliegenschiss dagegen.

INTERVIEW: LUTZ DEBUS

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