Wein und Musik bis spät in die Nacht: So verbringen Anne, Eddi und Johannes den Abend. Mit Gesprächen über Gott und die Welt. Was wie eine typische Studierenden-WG klingt, ist die Wohngemeinschaft, die drei alte FreundInnen, alle über 60 Jahre alt, wieder aufleben lassen. Das ist die Ausgangskonstellation von Ralf Westhoffs Generationskomödie „Wir sind die Neuen“ aus dem Jahr 2014. Es ist nur Kino. Doch auch in der Realität ist die Frage angekommen, wie Menschen im Alter wohnen können oder einen neuen Lebensabschnitt wagen: betreut oder in geselliger Umgebung.
Das gesellschaftliche Bild vom Wohnen im Alter sieht noch oft düster aus: In vielen Fällen verharren die Betroffen erst mal in den eigenen vier Wänden – manchmal vereinsamt und isoliert, und oft wird erst bei pflegebedürftigen Fällen ein Tapetenwechsel in Erwägung gezogen. Der endet noch immer oft im Altersheim, wo das überlastete wie unterbesetzte Pflegepersonal die Betreuung übernimmt und Verwandte am Sonntagnachmittag zum Besuch vorbeischauen. Ja, Alten- und Pflegeheime haben etwas von Ausgrenzung für die Betroffenen, ihr Ansehen sinkt in der Gesellschaft. In den letzten Jahren haben PflegerInnen, ÄrztInnen oder Betroffene selbst dieses Thema angestoßen. Eine Idee: Ältere Menschen müssen nicht erst auf Krankheiten oder Beeinträchtigungen warten, um die Entscheidung zu treffen, in neue vier Wände zu ziehen. Und hier gibt es eine breite Bandbreite an Angeboten: Von Mehrgenerationenhäusern bis zu Seniorenparks.
Nachdem sich in Berlin die ehemalige Medizinerin Dagmar von Kleist pressewirksam für die neue Infrastruktur einsetzte, die altersgerechtes Wohnen in geselliger Umgebung mit anderen NachbarInnen gleich welchen Alters gewährleistet, stellte eine Baugemeinschaft das Projekt vor. Alt und jung zeigten sich von der Anlage, in der die späteren BesitzerInnen über Architektur, Grünflächen oder Spielanlagen mitentscheiden sollten, begeistert. Nur Anwohner mit Einfamilienhäusern machten sich während der Projektvorstellung lautstark gegen das Bauvorhaben bemerkbar. Offensichtlich gib es noch immer Vorbehalte gegen Wohnkonzepte, in denen ältere Menschen aktiver Teil dieser Gesellschaft sein sollen.
Viele dieser Einrichtungen, die einen über den Schlafplatz hinausgehenden Austausch fördern, gibt es jedoch bereits auch in dieser Region. Das Mehrgenerationenhaus in Bochum-Dahlhausen versammelt etwa verschiedene Altersgruppen unter einem Dach. Das Projekt hat stadtweit eine symbolische Ausstrahlungskraft für gelungene Partizipation. Hier kommen sowohl SeniorInnen zum Frühstück als auch Eltern zu offenen Treffen zusammen.
Auch der Markt reagiert. In der Lünener Innenstadt-Süd sind im Monat rund vier Wohnungen frei geworden. Die bisherigen MieterInnen gingen ins Altersheim. Nachmieter blieben aus. So reagierte ein ansässiges Unternehmen und begann mit dem Bau von altersgerechten Neubauwohnungen mit stationären Pflegewohnplätzen. Das neue Quartier beinhaltet unterschiedliche Haushaltstypen, die eine eigenständige Lebensführung versprechen sowie die Errichtung einer „Pflegeinsel“.
Wermutstropfen: Es gibt zwar eine ambulante Pflege, ältere Menschen werden hier jedoch wohl unter sich bleiben. Eine andere Randnotiz sind die Kosten: Wer etwa durch die Preistabelle eines Seniorenparks stöbert, mag sich bei einem Gesamtentgelt von über 2000 Euro (plus 1.000 Euro Kaution) fragen, ob das alle im Alter berappen können. Denn neben der Prognose eines demographischen Wandels (bis zum Jahr 2040 wird ein Viertel der Gesellschaft über 75 sein) spukt alle paar Jahre die Warnung massiver Altersarmut durch die Aufmacher von Zeitungen. Angesichts ungeregelter und prekärer Arbeitsverhältnisse in der Gegenwart braucht niemand viel Phantasie für ein solches Zukunftsszenario. Aber auch das betrifft die Frage von einem neuen Zuhause im Alter. Zwar verspricht die Politik gerne eine Ausrichtung des sozialen Wohnungsbaus zum altersgerechten Wohnen, Ältere in Quartiere zu integrieren und ambulante Pflegeangebote auszubauen. Konkrete Reformpläne bleiben jedoch bislang aus. Vieles wird den InvestorInnen überlassen.
Auf den Markt zu warten, lohnt sich nicht. Das gilt für Alt und Jung. Im Film „Wir sind die Neuen“ feiern diese drei Senioren übrigens nicht nur wie in alten Tagen, sondern helfen auch einer benachbarten Studi-WG. Beim Lernen und beim Liebeskummer. Was für ein schönes Wohnmodell. Wie schade, dass am Ende der Vorhang fällt.
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zum Thema auch unter: choices.de/thema und engels-kultur.de/thema
Aktiv im Thema
verein.fgw-ev.de | Der Verein Forum Gemeinschaftliches Wohnen betreibt mit seinem Schwerpunkt auf „Wohnen im Alter“ Netzwerk- und Bildungsarbeit zur Zukunft des Wohnens.
wbb-nrw.de | Das Unternehmen aus Bochum entwickelt Innovationen in der Stadtentwicklung, im Wohnungsbau und in der Wohnungsbewirtschaftung in Zusammenarbeit mit den Akteuren.
wohnprojekte-portal.de | Das von der trias-Stiftung betriebene Projekt versteht sich als Bildungsangebot und unterstützt bürgerschaftliches Engagement, das sich den Herausforderungen des demografischen Wandels widmet.
Die neuen Alten: Demografischer Wandel als Chance
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