Theodor W. Adorno war ein bissiger Hund; natürlich ein schlauer Kerl. Aber seine Urteile und Verurteilungen blieben oft zweifelhaft. So hatte er besonders den nordischen Tonsetzer Jean Sibelius im Visier, als er in einer Glosse dessen sinfonische Themen geißelte: „Diesen Tonfolgen widerfährt sehr früh ein Unglück, etwa wie einem Säugling, der vom Tisch herunterfällt und sich das Rückgrat verletzt.“ Wenn jetzt die Temperaturen auch an Rhein und Ruhr etwas nordischer sind, erinnern die Duisburger Philharmoniker sehr früh im Jahr an den anstehenden 150. Geburtstag des finnischen Meisters Sibelius, u.a. mit seiner übersichtlichen Tondichtung „Finlandia“, die als Nationalprodukt hundertfache Bearbeitung und tausendfache Interpretation erfuhr.
Repräsentativer für den Komponisten wirkt aber sein Violinkonzert, trotz Adornos Verleumdung ein Repertoirestück aller großen Geigenvirtuosen. Und da in Duisburg ein solcher geboren wurde, gab dies den erfreulichen Anlass, Frank Peter Zimmermann zu diesem Fest einzuladen – ein echter Weltstar aus der Hafenstadt. Er spielt das Instrument des österreichischen Paganini Fritz Kreisler, der mit seinen unglaublich kurzweiligen und faszinierenden Charakterstücken 1935 eine echte Bombe platzen ließ: Nachdem er sie jahrelang als Werke berühmter Komponisten in seinen Konzerten gespielt hatte, enttarnte er sie nun als eigene Kompositionen. Solche Späße mögen Musikkritiker nicht wirklich gern.
Das hört aber niemand der Geige an. Und Zimmermann, der aktuell mehrfach in der Blüte höchster Spielkultur gewähnt wurde und z.B. den Echo Klassik Preis als Instrumentalist des Jahres 2014 erhielt, ist genau der Mann, der diesem etwas halsstarren Stück einen genialen musikalischen Bogen abgewinnen kann. Er tourt gerade mit dem Konzert, denn eine Woche später spielt er es beim WDR in Köln. Zimmermann, dessen Sohn Serge auch bereits als Geiger Meriten verdienen konnte, feiert just im kommenden Monat seinen 50. – das passt doch herrlich nicht nur zu Sibelius.
Zahlreiche lohnende Komponisten stammen aus dem hohen Norden, so auch der unter ihnen berühmtere Däne Carl Nielsen. Wir erinnern uns ebenfalls an seinen 150. Geburtstag, was bestens in das Jahresprogramm passt. Denn GMD Giordano Bellincampi hat seinen Nielsen-Zyklus bereits früher begonnen. Jetzt erklingt „Das Unauslöschliche“, eine Sinfonie aus dem Jahre 1916, als Reflexion auf den grausigen Ersten Weltkrieg. Das Werk endet in einem Duell zweier Pauken: Die rollen diesmal für die geballten Jubilare in diesem tollen Konzert.
„Nordische Meister“ | Mi 7.1. & Do 8.1. 20 Uhr | Theater am Marientor | www.duisburger-philharmoniker.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Ganz ruhig bleiben
Zum 10. Mal: „Das Schwarze Schaf“ wird in Duisburg gekürt – Komikzentrum 05/18
Wortgewalt am Niederrhein
10. Kabarettpreis „Das Schwarze Schaf“ – das Besondere 04/18
„Freunde, freudvollere Töne“
Duisburg schlägt Götterfunken – Klassik an der Ruhr 11/14
Sinfonische Vollender
Gil Shaham in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 11/24
Aus Alt mach Alt
Tage Alter Musik in Herne 2024 – Klassik an der Ruhr 11/24
Weiblicher Beethoven
Emilie Mayers 5. Sinfonie im Konzerthaus Dortmund – Klassik an der Ruhr 10/24
Ein Himmel voller Orgeln
Zwei Orgelfestivals in Köln und Düsseldorf – Klassik am Rhein 10/24
Mit virtuoser Blockflötistin
33. Festival Alte Musik Knechtsteden in Dormagen und Köln – Klassik an der Ruhr 09/24
Nach François-Xavier Roth
Der Abgang des Kölner GMDs sorgt für Umbesetzungen – Klassik am Rhein 09/24
Barock und Filmmusik
Open-Air-Konzerte „Viva Italia!“ im Ruhrgebiet – Klassik an der Ruhr 08/24
Exotische Musik
„Sounds of Nature“ und „Diálogos de amor“ beim Niederrhein Musikfestival 2024 – Klassik am Rhein 08/24
Akademische Bürgernähe
Michael Ostrzyga dirigiert „Elias“ in Bergheim und Köln – Klassik am Rhein 07/24
Pop-Hit trifft düstere Rarität
Semesterkonzert an der RUB – Klassik an der Ruhr 07/24
Bruckners „verfluchte“ Neunte
„Von Herzen – Letzte Werke“ in Bochum – Klassik an der Ruhr 06/24
Mit Hochdruck bei der Arbeit
Die Orgelfeierstunden im Kölner Dom – Klassik am Rhein 06/24
Träume aus alten Zeiten
Zamus: Early Music Festival 2024 in Köln – Klassik am Rhein 05/24
Ungewünscht brandaktuell
Auftakt zum Klangvokal Festival Dortmund 2024 – Klassik an der Ruhr 05/24
Wiederentdeckt
Werke von Amerikas erster schwarzer Klassikerin in Essen – Klassik an der Ruhr 04/24
Orchester der Stardirigenten
London Symphony Orchestra in Köln und Düsseldorf – Klassik am Rhein 04/24
Blickwechsel in der Musikgeschichte
Drei Spezialisten der Alten Musik in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 03/24
Spiel mit den Elementen
Alexej Gerassimez & Friends im Konzerthaus Dortmund – Klassik an der Ruhr 03/24
Temperamentvoller Sonntag
Bosy Matinée mit Asya Fateyeva und Gemma New in Bochum – Klassik an der Ruhr 02/24
Hellwaches Monheim
Das Rheinstädtchen punktet mit aktueller Kultur – Klassik am Rhein 02/24
Abenteuerliche Installation
„Die Soldaten“ in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 01/24
Keine Grenzen
Philharmonix in Dortmund und Düsseldorf – Klassik an der Ruhr 01/24