Ein Highlight im Vorfeld der Krimi-Biennale „Mord am Hellweg“ durften rund 180 Gäste am 6.9. auf der Zeche Hugo in Gelsenkirchen-Buer erleben: Dr. Herbert Knorr, seit 2002 einer der Leiter des Festivals, präsentierte auf „Schacht 2“ gemeinsam mit Kabarettist Fritz Eckenga seinen Ruhr-Krimi „Shit häppens“. Die kriminalistische „Ruhrgebietsgroteske“ (Henselowsky und Boschmann 2016) beleuchtet mit zahlreichen Geschichten um „Mord und Totschlach aussen Pott“ die dunklen Abgründe hinter den pittoresken Zechenhaus-Fassaden längs der Emscher. Dabei räumt der auf Schalke geborene Literaturwissenschaftler und Autor gründlich mit provinziellen Ruhrpott-Klischees auf. Offiziell startete Europas größtes internationales Krimi-Festival am 17.9. – bis zum 12.11. sollen über 400 AutorInnen, ModeratorInnen, MusikerInnen, SchauspielerInnen und weitere KünstlerInnen bei mehr als 200 Veranstaltungen an rund 90 Tatorten in 25 Städten spannende Unterhaltung bieten.
Auch das Kulturzentrum Grend in Essen-Steele bot am 16.9. im Vorfeld seines 20-jährigen Jubiläums ein prominentes Ereignis vor ausverkauftem Haus. Mit dem nach seiner Textsammlung „Genauer betrachtet sind Menschen auch nur Leute“ (Knaur 2016) benannten Programm kehrte der Wuppertaler Patrick Salmen auf jene Bühne zurück, wo er 2010 die deutschsprachige Poetry-Slam-Meisterschaft gewonnen hatte. Einmal mehr erwies er sich hierbei als „Libero auf dem Bolzplatz des Lebens“: Vor etwa 100 ZuschauerInnen begeisterte er mit einem Lesebühnen-Mix aus pointenreichen Geschichten und zuweilen bizarren Wortspiel-Rätseln. Unverdrossen prangerte er die „allgemeine Tschiboisierung des Lebens“ („ja, ein offizielles Wort wie Islamisierung“) an, geißelte die „bräsige Dudeligkeit“ von Songs wie „Hallo Lieblingsmensch“ als „Hymne eines Amoklaufs“, forderte als Gegenakzent zum allgemeinen Optimierungswahn ein „Antigram für Depressive“ und klärte darüber auf, dass ein Browser kein Duschkopf ist... Am 1.10. ab 20 Uhr wird mit der 43. Ausgabe des „Grend-Slam“ im Rahmen eines Jubiläumswochenendes das 20-jährige Bestehen des Kulturzentrums gefeiert.
Auch die Bochumer Lesebühne im Oveney (LiO) feierte mit ihrer 25. Veranstaltung am 17.9. ein kleines Jubiläum. Neben Birgit Saluzkis Gelsenkirchen-Krimi „Ruhrkälte“ (emons 2015), der im Schalker Fan-Milieu sowie in der Heavy-Metal-Szene seinen mörderischen Anfang nimmt, glänzte der Moderator, Autor und Ex-Linksaußen des VfL Bochum Juckel Henke u.a. mit seiner loriotesken Anti-AKW-Satire „Schäfer Meertens“: Der 84-jährige letzte Schafhirte der Lüneburger Heide stirbt bei einer Talkshow vor laufender Kamera, als er sich weigert, seine von der Atomkraft-Lobby usurpierte Heimat zu verlassen und nach Bayern zu emigrieren. Von einer erfolgreichen Migrationsgeschichte hingegen wusste der Mülheimer Kult-Autor Zepp Oberpichler in „Galgenvögel liegen tiefer“ zu berichten, dem aktuell bei Henselowsky und Boschmann erschienenen, mutmaßlich ersten Ruhr-Western überhaupt. So vollbringen die gebürtig dänischen Western-Helden Ole Boy und John-Pa Holnussen die skurrile heroische Tat, sich als Altmetall-Sammler in Duisburg-Rheinhausen zu etablieren...
Literaturszene im Ruhrgebiet: Lesebühne im Oveney (LiO)
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