Es beginnt mit einem Horrortrip: Wirtschaftsanwalt Urs Blank (Moritz Bleibtreu) ist auf Pilzen hängen geblieben und verliert sich in ungesteuerter Aggression gegen seinen Willen. Oder ist es so, wie es die Junkie-Folklore predigt, seit Menschen sich berauschen: dass Drogen nur zu Tage fördern, was schon tief verborgen im Selbst lauert? – jene „dunkle Seite des Mondes“, so auch der Titel des Eröffnungsfilms.
Die Romanverfilmung von Stephan Rick beginnt mit einer Wolfsjagd und endet gewissermaßen mit einer. Dazwischen lebt er vom Kontrast zwischen wuchtigen Naturaufnahmen und der Wildheit des Frankfurter Bankenviertels.
Überhaupt, der Wald war ein beliebtes Motiv: Auch die irrwitzige Komödie „Outside the Box“ (Regie: Philip Koch) spielt mit dem nur scheinbaren Gegensatz von Managerwelt und „Survival of the fittest“: Vier junge Management Consulter sollen ihre Relationship untereinander fitten, und zwar in einem Assessment-Boot-Camp der etwas anderen Art. Merke: Am See der Entscheidung liegt auch das Ufer des Misserfolgs. Alles gecleared, bis aus einer gestellten Geiselnahme eine echte wird – ohne dass die vier Business-Dussel es bemerken. Frech, nie zu albern und mit einer klugen Metaebene: Wenn nur alle deutschen Komödien so wären! Interessanterweise, erzählt Schauspieler Sascha Geršak, war der Film zunächst als Thriller geplant.
Auch Theresa von Eltz‘ Weihnachtsdrama„4 Könige“ spielt mit dem Gegensatz von trotz tiefstem Winter warmer Waldlandschaft und den kalten, sterilen Räumen der Jugendpsychiatrie.
Ohne Wald, aber trotzdem wild ging‘s im Westberlin der 80er zu: Der leuchtenden Insel im dunklen Osten widmeten die Festivalmacher ein Doppel-Feature mit der Doku „B-Movie: Lust & Sound in West-Berlin 1979-1989“ und Oskar Roehlers grandiosem „Tod den Hippies!! Es lebe der Punk!“
Grotesk, absurd, schamlos: Roehler dreht nicht bloß einen Film über Punk, er übersetzt Sound und Ästhetik der Subkultur in die Filmsprache, ohne Rücksicht auf Scham- und Geschmacksgrenzen. Vielleicht kein Publikumsliebling, aber einer der stilistisch spannendsten Filme des Festivals – wenn man über den unsäglichen Wilson Ochsenknecht hinwegsieht. Aber ein bisschen Bad-Taste gehört ja auch zu Punk.
Bad Taste im besten Sinne bietet „Mülheim – Texas. Helge Schneider hier und dort“ von Andrea Roggon: Die Doku bietet Einblicke ins Leben des Ausnahme-Musikers. Nicht umsonst gewann die Doku den Publikumspreis „RuhrPott“.
Unseren Berndt-Media-Preis für den besten Filmtitel gewann „Trash Detective“: Der Schwaben-Thriller von Maximilian Bruck handelt vom Schrottsammler Uwe, der den Mord an Miss-Süddeutschland-Bewerberin Susi aufklären will.
Der begehrte, mit 10 000 Euro dotierte Publikumspreis Lüdia ging an das Boxer-Drama „Herbert“: Das Langfilmdebut von Thomas Stuber begeisterte schon auf dem Filmfestival in Toronto.
Derlei Ehren werden freilich nicht jedem Film zuteil – aber das muss nicht viel heißen: Von den Lüdia-Wettbewerbern bis zu Eröffnungs- und Abschlussfilm („Vorstadtrocker“, Debut von Martina Plura) hatte jeder Film seinen ganz eigenen Charme. Lünen ist bekannt dafür, Filmkunstperlen zu bergen, die selten zu bestaunen sind. Dass die ersten Lüner Entdeckungen schon ihren Weg ins Programm von so manchem Ruhrpott-Kino gefunden haben, ist kein Widerspruch: Es unterstreicht vielmehr den richtigen Riecher, den das Kinofest in der Pottprovinz auch dieses Jahr bewiesen hat.
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