Der „Alte Hut“ bleibt leider noch für Jahrzehnte stetig neu: Musikvermittlung an ein junges Publikum bleibt ein ungelöstes und viel zu spät eingeleitetes Unterfangen aller möglichen Institutionen, die jetzt noch retten wollen, was eigentlich längst zu spät ist. Die „Neue Musik“ hat es dabei besonders schwer, sie ist ein ganz besonders leidendes Nischenkind. Erstens zählt sie zur E-Musik, deshalb mutieren ältere Werke, die nach ihrer Uraufführung vielleicht sogar mehrfach Wiederaufführungen erleben durften – der absolute Ausnahmefall – zu sogenannten „Klassikern der Moderne“. Zweitens mag sich aber auch im eigenen Lager der Klassikfreunde kaum jemand mit hochkomplexen Neutönern und ihren Komponisten bzw. Interpreten beschäftigen. Ganz wenige aktuelle Komponisten und Interpreten haben sich in diesem Minderheiten-Genre einen Platz erkämpft und leben von ihrer Musik. Im Normalfall gestaltet sich das für alle musikalisch Kreativen eher schwierig. So sind Produktionen mit Neuer Musik fast immer Zuschuss-Unternehmungen, die der Unterstützung bedürfen – so die Reihe „Stationen“, eine Musikreise der Initiative „Neue Musik in NRW“.
Vor zwei Jahren startete dieses Projekt mit einer Konzertreihe mit Uraufführungen von KomponistInnen des Landes, diesmal setzen sich Musiker aus der Region mit internationalen Größen der modernen Konzertliteratur auseinander. Ein zehnköpfiges Ensemble bereist ab Mitte März die zehn wichtigsten „Musikmetropolen“ des Landes NRW mit einem Programm aus frühen experimentellen Kammermusiken von Violeta Dinescu, Karlheinz Stockhausen, Luciano Berio oder Georg Crumb und stellen sie in Zusammenhang mit Werken jüngerer Kollegen, darunter verschiedentlich sogar wieder Uraufführungen.
Begleitet werden die Konzerte von einem Schulprojekt, da sind wir wieder angelangt bei Jugend und Musikbildung. Zehn Musiker und zehn Städte, jeweils einer nutzt die Zeit vor dem Konzert, um in eine der Schulen vor Ort zu gehen und dort ein aufwändig vorbereitetes Seminar abzuhalten. Und hier – das ist nicht selbstverständlich – verschrecken Neue Töne überhaupt nicht. Den häufig von Klassik unbefleckten Festplatten in den Kinderköpfen ist es einerlei, ob Mozart oder Berio auf der Agenda stehen. Neue Musik mit ihrer erweiterten Klang- und Spieltechnik und ihrer Emanzipation von begrenzendem Regelwerk kann sogar viel spannender ausfallen und mit überraschend exotischen Klängen eher fesseln als schöne Melodien der Wiener Klassik.
Ob kleine oder große Hörer, das hier vorgestellte Konzertprogramm ist herrlich repräsentativ und abwechslungsreich gewählt. Vom Ensemble-Stück bis zur Performance zwischen Geige und Elektronik wechselt die Besetzung, es wird gesungen, geblasen und improvisiert – so gesehen hat sich in diesem Bereich in den letzten 400 Jahren nicht wirklich viel verändert.
Münster, 15.3. 20 Uhr, Musikhochschule
Detmold, 16.3. 18 Uhr, Hangar 21
Dortmund, 22.3. 20 Uhr, Musikschule
Bielefeld, 23.3. 18 Uhr, Rudolf-Oetker-Halle
Köln, 28.3. 20 Uhr, Bürgerzentrum Alte Feuerwache
Remscheid, 30.3. 18 Uhr, Vaßbendersaal
Essen, 31.3. 18.30 Uhr, Folkwang Musikschule
Bonn, 6.4. 20 Uhr, Theater im Ballsaal
Aachen, 10.4. 20 Uhr, Klangbrücke im Alten Kurhaus
Düsseldorf, 11.4. 20 Uhr, Theatermuseum
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