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Erzwungenes Miteinander
Foto: Cornelia Wortmann

Ängsten Raum geben

21. Dezember 2017

Vorbehalten gegen Flüchtlinge gelassen begegnen – mit Argumenten – THEMA 01/18 VERSÖHNUNG

Angela Merkels enthusiastisches „Wir schaffen das“ weckte während der Flüchtlingskrise 2015 die Lebensgeister, denn es entsprang einer inneren Überzeugung. Kein Thema polarisierte ähnlich stark: Mit Befürwortern auf der einen und Gegnern auf der anderen Seite – und der Politik als scheinbarem Vermittler.

An Bahnhöfen wie München standen sie und jubelten Neuankömmlingen entgegen. Zahlreiche Ehrenamtliche engagierten sich in Erstaufnahmestellen, verteilten Kleidung und Kosmetik an Flüchtlinge. Andere gründeten Initiativen und organisierten Sprachkurse für eine schnelle Integration. Deutschland versöhnte sich mit seiner Geschichte und wurde zu einem Symbol für Willkommenskultur. Es schien, als habe man aus Nachkriegszeit und Wiedervereinigung gelernt und als wolle man denjenigen, die kommen, einen schnellen Start in ein neues Leben ermöglichen.

Die Zahlen haben sich inzwischen gedreht. Laut einer Umfrage des Kantar Emnid-Instituts aus Bielefeld 2017 wandelte sich das positive Klima mit zunehmender Zahl der ins Land kommenden Flüchtlinge. Während 2015 noch 51 Prozent der Deutschen dafür plädierten, mehr Flüchtlinge im Land aufzunehmen, glauben 2017 mehr als die Hälfte nicht mehr daran, das Deutschland weiteren Flüchtlingen Asyl gewähren kann.

Hat eine Zunahme der Flüchtlingszahlen dafür gesorgt, dass die Vorbehalte innerhalb eines Teils der Öffentlichkeit größer wurden? Was hat die Ängste geschürt? Vielleicht die Tatsache, dass seitens der Deutschen Regierung kein klares Konzept dahinter stand, das Orientierung bot. Nicht einmal innerhalb der CDU/CSU war man sich einig, welche Linie verfolgt werden müsse. Während Horst Seehofer (CSU) eine Obergrenze propagierte, stellte sich Angela Merkel (CDU) entschieden dagegen. Bot diese Unsicherheit den Nährboden für die Skepsis innerhalb der Bevölkerung?

Nicht nur in Form von Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte entlud sich zunehmend die Gewalt der Gegner, selbst das Sicherheitspersonal darin stellte mancherorts eine Bedrohung für die schutzsuchenden Flüchtlinge dar. Auch in den sozialen Medien veränderte sich das Klima in rasanter Weise. Bereits im Jahr 2014 stellte die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) in ihrem Jahresbericht eine starke Zunahme fremdenfeindlicher politischer Posts im Netz fest.Soziale Medien tragen dabei in besonderem Maße zu einer Enthemmung bei, da sich darin Kritik jeder Façon nahezu ungefiltert kanalisieren kann. Die zunehmende Hetze im Netz veranlasste Justizminister Heiko Maas, das umstrittene Netzwerkdurchsetzungs-Gesetz (NetzDG) auf den Weg zu bringen.

Doch wie lassen sich beide Lager versöhnen? Es gibt unterschiedliche Theorien darüber, wer sich von Flüchtlingen bedroht fühlt. Menschen, die sich als gesellschaftlich abgehängt erleben, können dem Glauben erliegen, Flüchtlinge wären besser gestellt als sie. Doch auch gut Situierte können sich bedroht fühlen. Aus der Angst heraus, potenziell ihren eigenen Status zu verlieren wird bekämpft, was fremd ist. Was allen wohl gemein ist, sie erleben die Flüchtlinge als eine symbolische Bedrohung, eine große Unsicherheit, für die sie nach Erklärungen suchen. Sozialpsychologen raten deshalb dazu, innerhalb eines öffentlichen Diskurses diesen Ängsten Raum zu geben und sie ernst zu nehmen, da sie andernfalls in Wut und Aggression umschlagen können.

Gleichwohl sollte auch platten, haltlosen Vorwürfen begegnet werden, mit Fakten. Denn es hilft indirekt, Vorurteile abzubauen. Wie leben Flüchtlinge wirklich? Was sind die realen Kosten für den Staat? Ab wann dürfen sie bei uns arbeiten? In den ersten drei Monaten dürfen Asylsuchende zum Beispiel keinen Job annehmen. Und auch danach nur eingeschränkt, da EU-Bürger bevorzugt werden. Realistisch betrachtet: Absagen bei der Jobsuche sind frustrierend und es braucht schon eine große Portion Eigenmotivation, um als Flüchtling auf dem deutschen Arbeitsmarkt wirklich Fuß zu fassen.

Doch ein Job allein ist kein Garant für Integration. Dafür braucht es sinnvolle Konzepte, die Partizipation und Identifikation schulen. Sich kennen lernen und für den anderen interessieren, kann Vorbehalte zwischen Flüchtlingen und Aufnahmegesellschaft abbauen. Ideen gibt es genug: Von Refugees Kitchen über Lieder-Tausch in Gotteshäusern bis hin zu Sportkursen. Wichtig ist, in Kontakt zu kommen und die Menschen zu erleben. Damit aus Ablehnung langsam Akzeptanz erwachsen kann.


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