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Urvieh bei der Arbeit
Foto: miroslavmisiura / fotolia.com

Bienen und Dinosaurier

29. März 2018

Eine Bienenhalterin möchte der Evolution der Honigbiene eine Chance geben

Am 16. Februar sind die Bienen in meinem Garten das erste Mal im Jahr geflogen. Es war ein strahlend schöner Sonnentag, der das neue Bienenjahr einläutete. Das ist jenseits vom Kalender mein persönlicher Frühlingsanfang; endlich habe ich die Gewissheit, dass das Volk in seiner Wintertraube die dunkle Jahreszeit überlebt hat. Die Sammlerinnen tragen den ersten Pollen ein, denn im naturbelassenen Garten finden sie bereits Nahrung an Haselnusssträuchern, Schneeglöckchen, Krokussen und Zaubernuss.

Das nächste Highlight wird für mich der Tag sein, an dem die Bienen schwärmen. Dann strömen Tausende Individuen gleichzeitig in einem bewundernswerten Zusammenspiel aus dem Stock. Die Bienen sammeln sich in der Nähe zunächst in einer Schwarmtraube. Den Zeitpunkt darf man nicht verpassen, will man das Volk nicht allein weiterziehen lassen, was im dicht besiedelten Raum nicht nur zu Irritationen bei den Nachbarn führt, sondern auch die Bienen in eine wahrscheinlich ungute Zukunft. Denn diese Völker werden in Deutschland ohne menschliche Betreuung in aller Regel das nächste Jahr nicht überleben.

Der Schwarm ist die natürliche Fortpflanzung des Bienenvolks: aus einem werden nun zwei. Imker halten die Bienen für den Honigertrag. Sie schätzen das Schwärmen nicht, weil die beiden Völker nun ihre ganze Energie für den Neustart brauchen und die Honigernte gering ausfallen wird. Durch das Schwärmen tritt im alten und neuen Volk eine natürliche Brutpause ein. Die Varroamilbe, ein gefürchteter Parasit, dersich in den Brutwaben vom Blut (Hämolymphe) der Bienenlarven ernährt, sitzt in dieser Zeit auf dem Trockenen. Der angesehene Biologe Thomas Seeley hat nachgewiesen, dass kleinere Nisthöhlen den Schwarmtrieb wilder Bienenvölker erhöhen, was wiederum zu gesunderen Völkern und höheren Überlebenschancen führt – ohne menschliches Zutun. Es gehört jedoch zur „guten“ imkerlichen Praxis in der Imkerei, den Schwarmtrieb um jeden Preis zu unterdrücken, etwa auch durch so dubiose Methoden, wie der Königin die Flügel zu stutzen.

In den 1920er Jahren fand der Geologe Alfred Hawkins ein Stück Bernstein mit einem eingeschlossenen Insekt. Es handelte sich um eine Honigbiene, mindestens 75 Mio. Jahre alt, und Forscher schlossen aus diesem sensationellen Fund, dass die Evolution der Bienen schon zur Zeit der Dinosaurier auf dem heutigen Stand war; hochspezialisierte Insekten, die in einem Superorganismus extrem effektiv miteinander kommunizieren. Die Perfektion, mit der sie sich an ihren Lebensraum angepasst haben und diesen durch ihre Bestäubungsleistung entscheidend mit verändert haben, ist faszinierend. Die aktuelle Imkerei sorgt dafür, dass die Bienen sich nicht mehr evolutionär anpassen können. Der Imker entscheidet, welche Königin er neu einsetzt oder im Volk belässt, welche Völker er vermehrt, welche er mit wenigen Griffen vereint. Zwar ist auch die Bienengesundheit in seinem Interesse, an erste Stelle stehen aber in der Regel Sanftmut – denn stechen sollen sie nicht –, Fleiß beim Nektarsammeln und Schwarmträgheit. Wie bei Zuchtrindern und -schweinen geht die Leistungsfähigkeit auch bei Bienen vermutlich auf Kosten ihrer Abwehrkräfte.

Bienenglück bedeutet für mich, dass die Tiere wieder ohne menschliche Hilfe überleben. Ursprünglich lebten sie in Baumhöhlen in vier Metern Höhe im Wald. Wissenschaftler haben erst jüngst damit begonnen, die Bienen in ihrem natürlichen Lebensraum zu erforschen. Thomas Seeley konnte im US-amerikanischen Arnot Forest nachweisen, dass Bienenpopulationen in einem lokal begrenzten Gebiet innerhalb von wenigen Jahren eine Varroa-Toleranz ausbilden und in einer natürlichen Bienendichte von etwa einem Volk pro km² überleben. Stehen die Bienenvölker zu dicht beisammen, wie bei Imkern üblich, steigt das Risiko von Infektionen.

Natürliche Baumhöhlen sind in Deutschland meist nur in extensiver Waldwirtschaft zu finden. Schwärmende Bienen müssen ihre Behausungen also unter Dachrinnen oder ähnlichen Orten suchen, die die Menschen nicht gern mit ihnen teilen. In Europa haben sich deswegen einige wenige Neugierige – angeleitet von traditionellen russischen Imkern – auf die Zeidlerei, also die Bienenhaltung in Baumhöhlen besonnen. Mit einer zu hohen Bienendichte und intensiv genutzten Wäldern, wie sie hierzulande zu finden sind, ist diese Art der Bienenhaltung flächendeckend nicht machbar. Sie kann aber dazu anregen, Bienen mehr in ihrem natürlichen Lebensraum zu denken.


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Betty Schiel

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