Sind 841 Millionen Euro viel Geld? Das hängt von der Perspektive ab. Diese Summe dürfte die Stadt Köln am Ende aller Sanierungs-Tage für ihre Bühnen am Offenbachplatz ausgeben. Nach einer Meldung des Kölner Stadtanzeigers hat das weniger mit gestiegenen Baukosten zu tun, als mit einer Rechnung, die noch die Bauzinsen, die Gestaltung des Offenbachplatzes sowie Kosten für eine Machbarkeitsstudie mit einberechnet. Und selbst dabei dürften noch die Ausgaben für die Anmietung und Instandsetzung der Interimsspielstätten fehlen. Also kann man letztlich von einer Milliarde ausgehen, die den Kölner Haushalt auf Jahre hinaus belasten wird.
In Köln wurde seit Jahren bei den Bühnen nur mit der Summe der Sanierungskosten von 253 Mio. Euro operiert, die nach dem Debakel 2015 auf 541 Mio. hochschnellten. Die mitlaufenden verdeckten Kosten blieben außen vor, von Beginn an. Nur so konnte die Öffentlichkeit von der Sanierung und der Fortsetzung nach dem Desaster überzeugt werden. Nur so konnte den zähneknirschenden Politikern die Zustimmung schmackhaft gemacht werden. Das Standardargument von Politik und Verwaltung lautete: Wer 200 Millionen bereits ausgegeben hat, kann jetzt nicht mehr zurück. Hätte die Gesamtsumme von 800 Mio. bis einer Milliarde Euro im Raum gestanden, hätten Politik und Verwaltung weit mehr Überzeugungsarbeit leisten müssen.
Die Verschleierung von Kosten bei der Sanierung oder dem Neubau von Kulturbauten ist Teil einer Strategie. Kostenexplosionen sind an der Tagesordnung, in Berlin haben sich gerade allein die Baukosten für das Museum der Moderne im Vorfeld auf 400 Mio. Euro verdoppelt, vom Rest gar nicht zureden. Solch gigantische Summen sind heute für Kulturbauten kaum noch vermittelbar. Wenn dann doch mal realistisch kalkuliert wird, ist Stress angesagt: Als die Sanierung der Frankfurter Bühnen auf rund 850 Mio. Euro berechnet wurde, sagte die Kulturdezernentin Ina Hartwig: „Die Kosten sind extrem hoch, und die müssen gedrückt werden.“ Man kann das Realitätsverweigerung nennen oder versierte politische Kommunikation. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Die Wahrheit ist dem Menschen schon lange nicht mehr zumutbar.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Besiegt Vernunft die Leidenschaft?
„Orlando“ an der Oper Köln – Oper in NRW 11/24
Die Gefahren der Liebe
„Die Krönung der Poppea“ an der Oper Köln – Oper in NRW 05/24
Ein Schluck auf die Liebe
„Der Liebestrank“ an der Oper Köln – Oper in NRW 11/23
Lynchmord in New Orleans
Uraufführung von „The Strangers“ an der Oper Köln – Oper in NRW 09/23
Komplexer Märchenstoff
„Die Frau ohne Schatten“ in der Oper Köln – Oper in NRW 08/23
Bedrohung aus dem Inneren
Uraufführung von „La bête dans la jungle“ an der Oper Köln – Oper in NRW 04/23
Des Seemanns Apokalypse
„Der fliegende Holländer“ an der Oper Köln – Oper in NRW 03/23
Verblendete Väter
„Luisa Miller“ an der Oper Köln – Oper in NRW 02/23
Triumph der Güte
„La Cenerentola“ an der Oper Köln – Oper in NRW 12/22
Verkannte Liebe
„Der Zwerg / Petruschka“ an der Oper Köln – Oper in NRW 11/22
Liebe und Göttliche Aufträge
„Les Troyens“ an der Oper Köln – Oper in NRW 09/22
Im Stil der Commedia dell‘arte
„Il Barbiere di Siviglia“ an der Oper Köln – Oper in NRW 06/22
Endspurt für Mammut-Projekt
Beethovenhalle kurz vor der Fertigstellung – Theater in NRW 11/24
Jünger und weiblicher
Neue Leitungsstruktur am Mülheimer Theater an der Ruhr – Theater in NRW 10/24
Überleben, um zu sterben
Bund will bei der Freien Szene kürzen – Theater in NRW 09/24
Bessere Bezahlung für freie Kunst
NRW führt Honoraruntergrenzen ein – Theater in NRW 08/24
Mit allen Wassern gewaschen
Franziska Werner wird neue Leiterin des Festivals Impulse – Theater in NRW 07/24
„Zero Waste“ am Theater
Das Theater Oberhausen nimmt teil am Projekt Greenstage – Theater in NRW 06/24
Demokratie schützen
Das Bündnis Die Vielen ruft zu neuen Aktionen auf – Theater in NRW 05/24
Theatrales Kleinod
Neues Intendanten-Duo am Schlosstheater Moers ab 2025 – Theater in NRW 04/24
Neue Arbeitszeitregelungen
Theater und Gewerkschaften verhandeln Tarifvertrag – Theater in NRW 03/24
„Der Tod ist immer theatral“
Theatermacher Rolf Dennemann ist gestorben – Theater in NRW 02/24
Standbein und Spielbein
Pinar Karabulut und Rafael Sanchez gehen nach Zürich – Theater in NRW 01/24
Das diffamierende Drittel
Einkommensunterschiede in der Kultur – Theater in NRW 12/23
Neues Publikum
Land NRW verstetigt das Förderprogramm Neue Wege – Theater in NRW 11/23