Es ist eine Beerdigung zweiter Klasse. Mit der Premiere von Büchners „Woyzeck“ zieht das Schauspiel Bonn aus der Spielstädte Halle Beuel aus. Damit gibt das Ensemble um Schauspieldirektorin Nicola Bramkamp ihren wichtigsten Spielort auf. So drastisch und so dramatisch muss man das formulieren. Neben den Kammerspielen in Bad Godesberg und der Werkstatt im Opernhaus war die Halle auf dem Gelände der ehemaligen Jutefabrik auf der rechten Rheinseite zu einem eigenständigen Spielort mit viel Charme herangewachsen. Doch seit Jahren investiert die Stadt in das Gebäudeensemble, in dem auch die Werkstätten des Theaters untergebracht sind, nur das Notwendigste. Der alte Malersaal oder das Lampenlager besitzen inzwischen keine Betriebsgenehmigung mehr.
Noch vor vier Jahren lauteten die Pläne völlig anders. Im Kulturkonzept des Bonner Kulturdezernenten Martin Schumacher sollte das Schauspiel die Kammerspiele in Bad Godesberg aufgeben und in Beuel zusammen mit dem Fringe Ensemble eine Schnittstelle zwischen Stadttheater und Freier Szene entwickeln. Das klang zukunftsweisend, außerdem hätte das Transportkosten gespart. Doch als das Pantheon, Bonns kabarettistisches Aushängeschild, die Kündigung am angestammten Standort im Bonn-Center erhielt, drehte sich der Wind komplett. Plötzlich wurde die Halle Beuel als neue Spielstätte für die Kabarettisten gehandelt – obwohl die Spielstätte integraler Bestandteil des Vertrags von Bernhard Helmich, des derzeitigen Theater-Intendanten ist. Wohlfühlkabarett hat es nun mal leichter als die mitunter sperrigen Inszenierungen des Schauspiels.
Das Theater hat schließlich auf die rechtsrheinische Halle verzichtet und sich dafür nach zähem Ringen die Kammerspiele als zweite Spielstätte (neben der Werkstatt) zusichern lassen. Ob Nicola Bramkamp und ihr Ensemble sich damit einen Gefallen getan haben, darf man bezweifeln. Die Halle in Beuel ließ trotz geringer Deckenhöhe vielfältigste Spielformate zu. Shakespeares „Königsdramen“ als ausladendes Epos in der Inszenierung von Alice Buddeberg mit ihrem gewaltigen Bühnenaufbau. Jan-Christoph Gockels intime Interpretation von Conrads „Herz der Finsternis“ mit ihrer Schiffsmetapher. Der „Save the World“-Kongress, der auf das ganze Gelände ausgriff – alle drei haben auf ganz unterschiedliche Weise die Variabilität der Halle und des Areals vor Augen geführt. Die Kammerspiele mit ihrem ansteigenden Zuschauerraum und dem klassischen Guckkasten-Bühnenraum als Hauptspielort bedeutet dagegen ein Rückschritt. Als der Bonner Rat seinen Beschluss im Dezember 2015 gefasst hat, war dies eine Entscheidung für das Pantheon und gegen das Schauspiel – und es war eine Entscheidung, dem immer stärker migrantisch geprägten Bad Godesberg nicht noch den letzten Posten an bürgerlicher Kultur zu entziehen. Doch Themen, Raum und Spielweise sind im Theater eng miteinander verknüpft. Um in Bad Godesberg Präsenz zu zeigen, wären völlig andere Spielorte nötig als die bürgerlichen Kammerspiele.
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