Im ersten Stock des Wuppertaler Rathauses kann man die Theaterkrise der Stadt an den Wänden ablesen: Auf der einen Seite hängen die gravitätischen Porträts der Oberbürgermeister, ihnen gegenüber ein Foto der verstorbenen Pina Bausch und ein Konzertplakat der städtischen Symphoniker, signiert von Dirigent Toshiyuki Kamioka. Beiden gilt momentan die alleinige Wertschätzung der Politik, alle anderen Theatermacher haben das Nachsehen. Der Etat der Wuppertaler Bühnen, der derzeit 11 Mio. Euro beträgt, wird ab 2015 um 2 Mio. gekürzt. Das hat der Rat der Stadt im November beschlossen. Darüber hinaus muss das Theater Tarifsteigerungen in Zukunft selbst erwirtschaften. Gemildert wird der Aderlass durch eine jährliche 1,2 Mio.-Euro-Spritze der „Freunde der Wuppertaler Bühnen und des Sinfonieorchesters“, hinter der sich niemand anderes als die Stadtsparkasse verbirgt. Ein Zuschuss, der jährlich bestätigt werden muss und so als politisches Zuchtmittel dient.Was nach einer drastischen Sparaktion klingt, verändert die Bühnen Wuppertal grundlegend in ihrer Struktur. Bereits im Januar 2013 fusionieren das bisher selbstständige Orchester mit der Oper zur „Wuppertaler Bühnen und Sinfonieorchester GmbH“. Neuer Chef: der derzeitige Orchesterleiter Toshiyuki Kamioka. Das Opfer: der bisherige Leiter des Musiktheaters Johannes Weigand, der 2014 das Haus verlassen muss.
Das gilt auch für den Schauspielchef Christian von Treskow, dem schlechte Auslastungszahlen und ein zu experimenteller Spielplan vorgeworfen werden. Unter seinem Nachfolger/seiner Nachfolgerin reicht das Geld dann nur noch für zehn anstatt 14 fest angestellte Schauspieler. Wie damit große Schauspielinszenierungen realisiert werden können, ist unklar. Herauskommen sollen sie jedenfalls auch weiterhin in der Oper. Kleinere Formate werden noch bis Ende dieser Saison im Foyer des 2009 geschlossenen Schauspielhauses gespielt. Dann ist damit Schluss. Ein Ersatz steht allerdings erst ab 2014 zur Verfügung: eine Kammerbühne für 160 Zuschauer in einem früheren Magazin des Historischen Zentrums. 1,5 Mio. Euro wird der Umbau kosten, finanziert von „Sponsoren“, die noch längst nicht alle an Bord sind.
Der Wille, das Sprechtheater zu retten, ist der Stadt nicht abzusprechen. Doch was die Verwaltung in dem Ratsbeschluss als „zukünftige Struktur des Wuppertaler Schauspiels“ ausformuliert hat, klingt brandgefährlich. Da werden inhaltliche Vorgaben zum Spielplan gemacht, Publikumszielgruppen definiert, die Kooperation mit der freien Szene ultimativ gefordert. Verräterisch dann der Satz: „Für die einzelnen Produktionen und Aktivitäten müssen Besucherzielzahlen definiert werden, damit der Erfolg einer Spielzeit messbar wird.“ Hier wird versucht, das Theater als Produkt des städtischen Dienstleistungsangebots mit Kennzahlen operabel zu machen. Kunst verkümmert zur Rechengröße der Verwaltung. Das hätte auch Pina Bausch entsetzt. Ein Tanzzentrum im bisherigen Schauspielhaus soll ihren Namen tragen, so lautet eine Idee. Ein solches Denkmal auf dem Rücken anderer hat die Grande Dame des Tanztheaters nicht verdient.
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