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Die Liebe eines Fans zu seinem Verein kann grenzenlos sein
Foto: Francis Lauenau

„Die Sicht der Medien auf die Gewalt hat sich geändert“

25. April 2013

Markus Mau über Schalke-Fans und die Frage, ob Gewalt zugenommen hat – Thema 05/13 Elf Feinde?

trailer: Herr Mau, sind Fußballfans in den letzten Jahren wieder gewalttätiger geworden?
Markus Mau:
Nein, nach wie vor ist die Mehrheit der Fans friedlich. Die Sicht der Medien auf die Gewalt hat sich geändert. Wenn man die Bundesliga mit dem Oktoberfest vergleicht, wird es deutlich. Dort passieren innerhalb von zwei Wochen mehr Gewalttaten und Straftaten als während einer ganzen Bundesligasaison mit über 10 Millionen Zuschauern. Bei den jüngsten Diskussionen über die Sicherheit in den Stadien wurde oft nicht berücksichtigt, wie vergleichsweise friedlich die Fans sind.

​Markus Mau
Foto: privat
Markus Mau (33) ist Leiter des Schalker Fanprojekts.

Was halten Sie denn von Bengalos?
Diese Frage habe ich befürchtet. Über das Thema Pyrotechnik gibt es eigentlich nichts mehr zu sagen. Der Dialog zwischen Fans und Verantwortlichen wurde etwas unglücklich vom DFB beendet. Das Abbrennen von Bengalos ist ein Straftatbestand.

Die Szene hat sich gewandelt. Früher waren die Hooligans das Problem, jetzt die Ultras?
Zwischen Hooligans und Ultras gibt es große Unterschiede. Hooligans suchen oft die Gewalt, leben diese aus und sind außerdem Fußballfans. Bei den Ultras steht der Fußball definitiv im Vordergrund. Ultras opfern ihre gesamte Freizeit, um ihren Verein zu unterstützen. Sie opfern große Summen ihres Geldes. Es stimmt also nicht, dass die Ultras die Hooligans ersetzt haben.

Nicht alle Zuschauer mögen die Ultras?
Das stimmt. Ultras sind in ihrem Wesen manchmal etwas extrem. Sie fahren zu jedem Spiel, erwarten von allen Fans 90 Minuten Einsatz. Die Ultras auf Schalke haben auch mal gerufen „Peters raus!“. Andere Fans, die Geschäftsführer Peter Peters nicht ablehnen, riefen daraufhin „Ultras raus!“.

Ist der Wirbel um die Ultras unberechtigt?
Natürlich gibt es auch Gewalt bei den Ultras – wie in vielen anderen Gruppen auch. Die positiven Aspekte dieser Jugendkultur werden aber in der Öffentlichkeit viel zu wenig dargestellt. Das Schalker Fanprojekt hat bereits zum fünften Mal mit den „Ultras Ge“ einen Weihnachtsmarktstand organisiert und dort für karikative Zwecke im Stadtgebiet gesammelt. Beim letzten Mal kamen so 3.000 Euro zusammen. Die Ultras beteiligen sich auch an politischen Diskussionen. An einigen Standorten problematisieren sie rassistische und homophobe Sprüche auf den Rängen.

Ist Rechtsradikalismus ein Thema auf Schalke?
Anfang der 1990er Jahre, zu den Zeiten der Hooligans, gab es im Parkstadion und in den U-Bahnen schon rassistische Sprüche. Um darauf zu reagieren, hat sich die Schalker Faninitiative gegründet, die bis heute gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus antritt. Wenig später wurde ein entsprechender Passus in die Vereinssatzung aufgenommen. Schalke war hier Vorreiter. Natürlich gibt es in einem Stadion mit 60.000 Zuschauern noch immer auch Rechte, aber sie sind nicht in der aktiven Fan-Szene verankert. Das Fanprojekt veranstaltet regelmäßig Fahrten zu ehemaligen Konzentrationslagern und Gedenkstätten, bietet Gruppenreisen zu Spielen in Haifa und Tel Aviv an. An der Tausend-Freunde-Mauer in der Arena AufSchalke, an der man sich als Fan verewigen lassen kann, hat der Verein eine Gedenktafel errichtet für jüdische Mitglieder des Vereins, die während des Dritten Reichs umgekommen sind. Zu Ostern fuhren wir mit einer Gruppe Ultras nach Krakau, um Auschwitz zu besuchen.

Die Hooligans sind inzwischen alle in Rente?
Nein, einige mögen vielleicht inzwischen das Rentenalter erreicht haben. Das hindert sie aber nicht daran, weiter Bestandteil der Fan-Szene auf Schalke zu sein. Große Probleme gibt es mit ihnen aber nicht.

Also ist alles friedlich. Auch, wenn Sie 30 Kilometer in Richtung Osten schauen?
Revierderbys sind nicht mit dem normalen Spielbetrieb zu vergleichen. Hier gibt es große Emotionen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Gewalttätigkeiten kommt, ist aufgrund der Infrastruktur vor Ort in Dortmund größer. Wir stellen immer wieder fest, dass zum Derby viele Menschen kommen, die wir gar nicht kennen. Da kommen Leute hin, die sonst das ganze Jahr lang nicht kommen und dann entsprechend die Sau rauslassen. Da gibt es einen gewissen Gewalt-Tourismus. Solche Leute können wir gar nicht erreichen.

Ein Freundschaftsspiel gegen eine israelische Mannschaft ist also unproblematischer als ein Spiel gegen den BVB?
Auf jeden Fall.

Interview: LUTZ DEBUS

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