Wie ernst muss man einen Arbeitgeberverband nehmen, der die Gehälter der Angestellten „weitgehend für zufriedenstellend“ erklärt. Wenn zum Beispiel die Bundesärztekammer die Entlohnung der Sprechstundenhilfen so einstuft? Oder Gesamtmetall die Löhne der Beschäftigen der Elektroindustrie? Die Fluglinien die Gehälter der Piloten? O.k., der Lufthansa würde man glauben, dem Rest aber wohl nicht. Wenn der Deutsche Bühnenverein bei seiner Jahreshauptversammlung im Juni in Kaiserslautern genauso über die Lage der darstellenden Künstler spricht, ist man zunächst glücklich über die Klarstellung. Denn der Bühnenverein, in dem sowohl Intendanten, als auch Vertreter von Städten und Ländern vertreten sind, leidet seit Jahren an angewandter Schizophrenie.
Einerseits kämpft er gegen jede Theaterschließung, kritisiert Etatkürzungen und kritisiert so, was einige seiner Mitglieder in Kommunal- oder Landesparlamenten beschlossen haben. Andererseits verhandelt der Bühnenverein die Tarifverträge mit den Gewerkschaften der Musiker und Darsteller. Doch in wessen Sinne eigentlich, wenn er sich zugleich Sorgen um die „soziale Lage der Künstler“ macht, wie es auf der Homepage heißt? Die deutlichen Worte des Bühnenvereins stellen jetzt klar: Gesprochen hat hier ein Arbeitgeberverband, der den Angestellten bedeutet, glücklich zu sein mit dem, was sie haben. Punkt. Begründet wird das mit einem durchschnittlichen Bruttogehalt von 2700 bis 3100 Euro pro Monat; trotz Einstiegsgehalt von 1750 Euro, trotz Wochenendarbeit und jährlich kündbarer Verträge sei das o.k. Anderswo in Europa sei alles viel schlimmer. Ob sich ein Facharbeiter bei VW mit dem Hinweis auf die spanische Autoindustrie (oder gehört die auch schon VW?) zufriedenstellen lässt, sei mal dahingestellt. Kritik übte der Bühnenverband aber an der „Rationalisierung“, die zu geringeren Gagen und starker „Arbeitsverdichtung“ bei Schauspielern und Regieassistenten geführt habe. Wie jetzt? Lassen nicht gerade die Intendanten erst solche Arbeitsverhältnisse zu? Weit gefehlt. Das Problem liege darin, dass „die Mitarbeiter selbst zur Überstrapazierung neigten“. Also selbst schuld, liebe Rampensäue und Assis.
Bereits Ende Mai tagte am Bonner Theater erstmals das „Ensemble-Netzwerk“ als bundesweite Ensembleversammlung. Mitglieder sind vor allem SchauspielerInnen, aber auch Regie, Ausstattung, Dramaturgie oder Assistenz sind vertreten. Schon allein die Gründung ist ein linker Haken in den Magen der Gewerkschaft der deutschen Bühnenangehörigen (GDBA) und des Deutschen Bühnenvereins, die gemeinsam den Tarifvertrag aushandeln. Denn die Forderungen des Ensemble-Netzwerks klingen nicht nach Zufriedenheit: 3000 Euro Mindestgage für Berufsanfänger, ein nachvollziehbar nach Berufsjahren ansteigendes Gagensystem, Gleichbehandlung von Männern und Frauen, Einsicht in den Gagenplan für Ensemblevertretungen, ein Jahr bezahlte Babyzeit für alleinstehende Mütter usw. Das sind nur einige Forderungen, die die Aussagen des Bühnenvereins als das entlarven, was sie sind: Aussagen eines Arbeitgeber-Lobbyverbands. Nicht mehr.
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