Sie rangiert noch vor der Außen- und der Europapolitik, doch wahrscheinlich auch nur darum, weil sie dem Feld der Innenpolitik zu geschlagen wird. Dass Kultur nur eine marginale Rolle in Koalitionsverträgen spielt, daran haben wir uns längst gewöhnt und das gilt auch für die jetzt zwischen CDU/CSU und SPD geschlossene Vereinbarung.
Kultur, das vor vier Jahren im Koalitionsvertrag der CDU/CSU mit der FDP so, hat ihren Ort in Kapiteln, deren Aussagen auf den Zusammenhalt der Gesellschaft zielen. Das ist auch diesmal so. Damit verbunden ist offensichtlich eine klare Funktionszuweisung im gesellschaftlichen Kontext, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Hype um die kulturelle Bildung und ihrem Ziel der „gesellschaftlichen Teilhabe“ steht. Inwieweit der Kultur das guttut, bleibt genauso dahingestellt wie die Frage, ob Kultur heute nicht eher auf Differenz als auf gesellschaftlichen Zusammenhalt ausgerichtet ist. Insofern ist ein Satz wie „Kultur ist keine Subvention, sondern eine Investition in unsere Zukunft“ hübsch, jedoch mit Vorsicht zu genießen.
Immerhin ist NRW im Koalitionsvertrag prominent vertreten. Gleich zwei Institutionen werden als national bedeutsame Kulturorte eingestuft: Das Schaumagazin für Künstlernachlässe in der Abtei Brauweiler und das Internationale Tanzzentrum Pina Bausch. Beide könnten demnächst vom Bund unterstützt werden. Durch die Erhebung des 250. Geburtstages von Ludwig van Beethoven 2020 zur „nationalen Aufgabe“ dürfte auch Bonn als Geburtsstadt des Komponisten davon nicht unerheblich profitieren. Immerhin drei konkrete Projekte also, die unmittelbar mit dem Bundesland zu tun haben. Das ist mehr, als man erwarten durfte neben der üblichen Berlin-Orientierung.
Dass der Fall Gurlitt seine Spuren hinterlassen würde, war zu erwarten. So soll die Restitution von in der NS-Zeit enteigneten oder geraubten Kulturguts forciert werden, vor allem durch die Erhöhung der Mittel für die Provenienzforschung. Das dürfte auch für NRW-Museen von Bedeutung sein. Im Umkehrschluss will man sich aber auch um die Rückführung von so genannter „Beutekunst“ kümmern, die vor allem von Russland als Vergeltung für erlittenes Unrecht beschlagnahmt wurde. Eher dunkel bleiben Absichtserklärungen, den Tanz sowie die „zeitgenössische Musikkultur“ fördern zu wollen. Ist das nur Koalitionsvertragslyrik oder besitzt diese Absichtserklärung eine belastbare Substanz?
Schließlich will man sich endlich dem leidigen Thema Anpassung des Urheberrechts an die Zeiten der Digitalisierung widmen. Dabei soll „der Wert kreativer Leistungen stärker in den Mittelpunkt der Urheberrechtsdebatte“ gerückt werden. Da sind wir mal gespannt. Wichtiger noch, gerade angesichts der vielen prekären Arbeitsverhältnisse in der Freien Szene, dürfte die „Soziale Absicherung von Künstlern“ sein, der immerhin ein eigener Unterpunkt gewidmet ist. Hier wird ausdrücklich der Wille zum Erhalt der Künstlersozialkasse bekundet, die „dauerhaft stabilisiert“ werden soll. Auch durch eine zielgenauere Überprüfung abgabepflichtiger Unternehmen. Wenn das mal nicht eine gute Nachricht ist.
www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf
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