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Foto: Anneke / Fotolia

Ein Bock namens Gärtner

29. Mai 2019

Katholische Kirche arbeitet sexuellen Kindesmissbrauch nur halbherzig auf

Es hatte was von einem Wunder! Im September letzten Jahres legte die katholische Kirche eine Studie zum sexuellen Missbrauch durch Priester vor. Damit räumte sie endlich ein, was jeder wusste, der Klerus aber lange vertuschte und dann beschönigte. Das Forschungsprojekt unter dem Titel „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ zeigte: Zwischen 1946 und 2014 wurden 1670 Kleriker als Missbrauchsbeschuldigte innerhalb ihrer Kirche aktenkundig. 3677 Kinder und Jugendliche wurden mutmaßlich zu Opfern. 4,4 Prozent aller Kleriker sollen im genannten Zeitraum Minderjährige sexuell missbraucht haben. Bei den Zahlen handelt es sich aber um „untere Schätzgrößen“; sie müssten also mit einem „mindestens“ versehen werden.

Das Hauptproblem an der Untersuchung war die Abhängigkeit der Ergebnisse von den Bischöfen. Genau hieran war bereits der erste Anlauf einer Studie unter der Federführung des niedersächsischen Kriminologen Christian Pfeiffer gescheitert. Pfeiffer fand die Forschungsbedingungen, die die Deutsche Bischofkonferenz ihm vorschrieb, unzumutbar. Die Kirche hatte nachträglich den Vertrag mit Pfeiffer ändern wollen, um die Ergebnisse zu kontrollieren und ihre Veröffentlichung „aus wichtigem“ Grund sogar völlig verbieten zu dürfen. Außerdem kritisierte Pfeiffer die Vernichtung von Akten und den Widerstand der Kirche gegen eine unabhängige Aktenanalyse durch ehemalige Richter und Staatsanwälte.

Dass die Kritik berechtigt war, belegt die vorgelegte Studie. „In einigen Fällen fanden sich eindeutige Hinweise auf Aktenmanipulation“. Zwei Bistümer gaben den Forschen bekannt, „dass Akten- oder Aktenbestandteile mit Bezug auf sexuellen Missbrauch Minderjähriger in früherer Zeit vernichtet wurden". Ferner kritisierten die Forscher, dass es keine unabhängige Einsicht in die Bistumsakten gab. „Das Forschungsprojekt hatte keinen Zugriff auf Originalakten der katholischen Kirche. Alle Archive und Dateien der Diözesen wurden von Personal aus den Diözesen oder von diesen beauftragten Rechtsanwaltskanzleien durchgesehen“, heißt es in der Zusammenfassung. Die Studie als unabhängig zu bezeichnen, verbietet sich also. Die Kirche als aufzuklärende Institution, kontrollierte die Aufklärung. In solchen Situationen spricht man vom Bock, der zum Gärtner gemacht wird. Genau dies unterscheidet die deutsche Studie von der der Grand Jury in Pennsylvania (USA) aus dem August 2018 sowie der Missbrauchsstudie der Royal Comission in Australien von Ende 2017.

Erschwerend hinzu kommt, dass in Deutschland die Staatsanwaltschaft nur ermitteln kann, wenn ein Fall nicht verjährt ist. Die Verjährungsfristen liegen je nach Schwere des Missbrauchs zwischen fünf und 20 Jahren. Die Frist beginnt mit der Beendigung der Tat. Lediglich bei schwerem sexuellem Missbrauch ruht die Verjährung nach der Gesetzesänderung vom Januar 2015 bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers. Dies gilt auch für Taten, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung begangen wurden, jedoch nur dann, wenn sie noch nicht nach der alten Rechtslage verjährt waren. Die Studie mutet somit als Imagepflege an. Nach dem Motto: „Seht her, wir tun was.“


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