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Noch hat er nichts zu befürchten: Moritz Bleibtreu als jüdischer Kunsthändler Victor Kaufmann in „Mein bester Feind“.
Foto: Presse

„Ein Film ist für mich nie ein Anlass, mich aufzuregen“

25. August 2011

Moritz Bleibtreu über „Mein bester Feind“, seine Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit und internationale Dreherfahrungen – Roter Teppich 09/11

Als Sohn des Schauspielerpaares Monica Bleibtreu und Hans Brenner kam Moritz Bleibtreu schon als Kind erstmals mit seinem zukünftigen Beruf in Berührung. Zum Star wurde er vor mehr als zehn Jahren mit Filmen wie „Knocking on Heaven’s Door“ und „Lola rennt“. In der Zwischenzeit ist er zu einem der größten deutschen Kassenstars avanciert, der auch in internationalen Produktionen wie Steven Spielbergs „München“ oder „Ein Leben für ein Leben“ an der Seite von Jeff Goldblum reüssierte. In „Mein bester Feind“ unter der Regie von Wolfgang Murnberger ist er aktuell wieder im Kino zu sehen.

trailer: Herr Bleibtreu, Joseph Goebbels bei Oskar Roehler und nun ein jüdischer Kunsthändler: Lieben Sie diese Extreme?
Moritz Bleibtreu: Ich liebe grundsätzlich Extreme, das stimmt. Aber in diesem konkreten Fall hat das mit der Rollenauswahl nicht so viel zu tun, denn ich kann ja nicht bestimmen, was mir angeboten wird. Das ist immer Zufällen unterworfen, was an Drehbüchern auf meinem Tisch landet. Es war ein riesengroßer Zufall, dass sich diese beiden Rollen derart die Klinke in die Hand gegeben haben. Da scheint das Leben eher die Extreme zu lieben als ich. Beides sind sehr anspruchsvolle und herausfordernde und vielleicht auch komplizierte Filme, insofern haben sie beide mein Interesse gefunden.

Was trotzdem auffällt, ist derzeit eine Häufung an historischen Filmen bzw. geschichtlichen Figuren in Ihrem Werk – üben diese einen besonderen Reiz auf Sie aus?
Das spricht meiner Meinung nach eher für die zurückkehrende Genrevielfalt des Kinos an sich als für einen speziellen Geschmack meinerseits an historischen Geschichten. Es ist nicht so, dass mich zeitgeschichtliche Themen besonders reizen würden. „Goethe!“ fand ich allerdings schon sehr schön, weil es wirklich der erste Kostümfilm war, den ich gemacht habe. Grundsätzlich geht es für mich aber wirklich um die Geschichte, und ob die im 17. Jahrhundert spielt oder heute ist mir dabei eigentlich relativ egal. Mir ist wichtig, dass es eine interessante und spannende Geschichte ist.

Wenn ein Film nicht in der Gegenwart spielt, muss man sicherlich auch aufpassen, was Sprache und Gestik betrifft. Ist das eine zusätzliche Herausforderung oder liegt das eher in der Hand des Regisseurs?
Das ist sicherlich vor allem mehr Regiearbeit als Schauspielerarbeit, weil man das Ganze im Gesamtkonzept sehen muss. Sicherlich haben sich die Leute damals anders bewegt und anders miteinander gesprochen, gleichzeitig ist das für uns heute aber nicht so gut nachvollziehbar. Es gibt natürlich Material aus der Zeit, an dem man sich ein wenig orientieren könnte, aber direkte Vorbilder in dem Sinne hat man nicht. Und dann ist es die Frage, was für einen Ton man dem Film geben möchte. Wir haben bei „Mein bester Feind“ keinen überspitzten Wert darauf gelegt, einen Duktus oder einen Gestus zu finden, womit der Film eindeutig in den 1940er Jahren verortet worden wäre. Das ist auch ziemlich schwer. Zusätzlich birgt es die Gefahr, dass es aus unserer heutigen Sicht dann manieriert wirkt, weil wir das in dieser Form einfach nicht gewohnt sind. Ich glaube auch, dass das die wenigsten Filme versuchen. Mir würde kein historisch verorteter Film einfallen, bei dem man darauf geachtet hätte, dass Gestik und Sprache irgendwie nachvollziehbar aus dieser Zeit stammen. Wenn man allerdings ein direktes Vorbild hat, wie z.B. bei Goebbels in „Jud Süss“, dann ist das was anderes. Aber ich halte es für sehr schwer, dass bei einem Film wie „Mein bester Feind“ kollektiv das ganze Schauspielensemble den Duktus und die Gestik jener Zeit nachahmt. Ich weiß auch nicht, ob das nicht etwas vom instinktiven Spiel und der Emotion wegnehmen würde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass solch ein Ansatz besonders erfolgreich wäre oder so ohne weiteres funktionieren würde.

Zur Halbzeit ändert der Film recht radikal seine Tonart. Was hat Ihnen mehr Spaß gemacht, die doch recht realistische Geschichtsstunde der ersten Hälfte oder die Verwechslungsfarce, die danach einsetzt?
Für mich gehört das irgendwie zusammen. Es ist klar, dass das Ganze in der Mitte einen komödiantischen Zug bekommt, der bei einer Bodyswitch-Geschichte natürlich dazugehört. Umso wichtiger war, dass man im ersten Drittel das dramatische Fundament etablierte, auf dem das Ganze steht. Das zeichnet den Film auch aus. Diesen Drahtseilakt, sich die Komödie zu trauen, ohne dabei das dramatische Fundament zu vergessen, hat er gut hinbekommen. Insofern kann ich das nicht auseinander dröseln, das ist für mich wie die Entwicklung einer solchen Figur – eine Einheit, wie aus einem Guss.

Sie kannten die anderen Arbeiten Wolfgang Murnbergers im Vorfeld. Hatten Sie dann schon eine bestimmte Vorstellung, wie die Dreharbeiten ablaufen könnten?
Nicht wirklich, nein. Mal abgesehen davon, dass ich ein Fan von Murnbergers Filmen bin und ich ihn für einen ganz großartigen Regisseur halte, und wir uns dann schon im Vorfeld ganz ausgezeichnet verstanden haben und menschlich unheimlich gut miteinander zurechtgekommen sind, kann man dann trotzdem nie vorher wissen, was passiert, wenn man dann am Set steht. Das hat sich dann irgendwie noch als Sahnehäubchen der Sache dargestellt. Durch die Masse an Erfahrung und die Vielzahl der Filme, die er gemacht hat, weiß er auf eine sehr genaue und geradezu magische Weise, was er macht und was er will. Für einen Schauspieler ist das eine sehr angenehme Arbeitsweise, weil Murnberger kein Zweifler ist. Er arbeitet geradeaus, ist ein großer Zuträger, der Schauspieler sehr mag. Auch wenn das nun wie eine Plattitüde klingt, aber es ist bei einem Regisseur gar nicht so selbstverständlich, dass er genau weiß, was er will.

In Anlehnung an Hans-Michael Rehbergs Filmzitat „Stolz kannst Du sein auf Deinen Vater“ würde ich gerne die Brücke schlagen zu Ihrem Vater Hans Brenner, der auch ein großer Schauspieler war. Kurz nachdem Sie 1997 Ihren großen Durchbruch hatten, ist er verstorben. Konnte er Ihnen trotzdem noch Karriereratschläge mit auf den Weg geben?
Nein, leider nicht, denn ich bin ihm in meinem Leben eigentlich nur zweimal bewusst begegnet. An eine erste Begegnung, als ich noch ganz klein war, kann ich mich nur noch schemenhaft erinnern. Bei der ersten bewussten war ich zehn Jahre alt, und das zweite und letzte Mal war dann allerdings schon an seinem Sterbebett. Ich habe meinen Vater nie live und bewusst erleben können, außer im Fernsehen (lacht). Das ist sicherlich etwas, das sehr schade ist. Aber nichtsdestotrotz, um den Bogen zurück zur Frage zu schlagen, bin ich sehr stolz auf ihn und stolz, sein Sohn zu sein.

Das heißt, Sie können auch gar nicht abschätzen, wie er Ihren Erfolg dann selbst wahrgenommen hat?
Leider gar nicht. Ich kann das nur insofern abschätzen, als dass ich jetzt selbst auch Vater bin und dass jeder Vater stolz ist, wenn er fühlt, dass sein Sohn glücklich ist und das erreicht hat, was er sich vorgenommen hat. Das war mein Papa auch, auch wenn er es nicht artikuliert hat und nicht artikulieren konnte.

Sie sind unglaublich produktiv, allein in den letzten drei Jahren waren es mehr als ein Dutzend Filme. Gibt es denn Filme oder Rollen, mit denen Sie im Nachhinein nicht so zufrieden sind?
Ja, eine Menge! Grundsätzlich ist es so, dass ich nie hundertprozentig zufrieden bin mit dem, was ich mache. Egal, ob es nun der Film ist, an dem ich etwas auszusetzen habe, oder meine Darstellung, die hier oder dort verbesserungswürdig gewesen wäre. Das muss aber auch so sein. Wenn Selbstkritik verschwindet, dann kann man sich eigentlich einen anderen Beruf suchen. Einige Sachen finde ich gelungener, andere eher weniger, aber eigentlich gibt es immer etwas, was ich zu bemäkeln habe. Aber das sind Sachen, die ich mit mir selber abmache und auch nicht teile, denn ich halte es auch nicht für notwendig, so etwas zu diskutieren. In Deutschland gibt es immer dieses wahnsinnige Bedürfnis, Dinge zu diskutieren, die nicht funktioniert haben. Ich diskutiere viel lieber über Dinge, die ich gelungen finde. Ich mache Leuten lieber Komplimente, als sie darauf hinzuweisen, dass ich etwas blöd fand (lacht). Wenn ein Film fertig ist, kann man an ihm sowieso nichts mehr ändern, dann macht es auch keinen Sinn, stundenlang darüber zu lamentieren, was daran nicht gelungen ist. Ein Film, auch wenn es nicht mein eigener ist, ist für mich nie ein Anlass, mich aufzuregen. Wenn ich einen Film schlecht finde, dann gehe ich raus. Ich verstehe die Emotionen, die da hochkochen, nicht so ganz und dass man unbedingt kundtun will, wie schlecht man etwas gefunden hat. Ich nehme das hin und sage mir, „Es hätte besser sein können“, versuche, daraus zu lernen, und feiere das ab, was mir gefällt.

Sie spielen auch immer wieder in internationalen Produktionen, gerade haben Sie für Fernando Mereilles neben Anthony Hopkins und Jude Law in „360“ vor der Kamera gestanden. Was unterscheidet Ihrer Meinung nach solche internationalen Produktionen von deutschen?
Eigentlich gar nichts. In dem Moment, in dem eine Arbeit vor der Kamera stattfindet – und das ist das Tolle an der Schauspielerei oder am Filmemachen, das ist eine universelle, internationale Sprache, ähnlich wie die Musik – wenn sich verschiedene talentierte Leute aus unterschiedlichen Ländern treffen, dann funktioniert das. Natürlich haben wir hier in Deutschland eine Bewunderung für alles, was aus Amerika kommt. Das große Hollywood ist noch immer was ganz Besonderes und ganz Spezielles. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, es wäre für mich nichts Besonderes, mit Jude Law vor der Kamera zu stehen. Auf der anderen Seite ist es so, dass es sich, wenn man zwei Tage mit denen gedreht hat, irgendwie eingroovt und man ganz „normal“ mit denen arbeitet. Natürlich ist es was Besonderes, mit Leuten wie Fernando Mereilles zu arbeiten, der „City of God“ oder „Der ewige Gärtner“ gemacht hat. Da ist es für mich eine Ehre, dabei sein zu dürfen. Oder überhaupt Dialoge sprechen zu dürfen, die Peter Morgan geschrieben hat, der wahrscheinlich momentan zu den besten Drehbuchautoren der Welt gehört. Das ist was ganz Besonders und war sehr toll, und ich schätze auch, dass das ein ziemlich guter Film wird.

Ihr 40. Geburtstag in diesem Jahr – ist das ein besonders einschneidendes Ereignis?
Ich glaube eigentlich nicht. Zunächst war ich in der Bredouille und glaubte, den jetzt groß feiern zu müssen, aber nun ist es so, dass ich kurzfristig noch ein Engagement bekommen habe und nun einen Film mache. Oskar Roehlers Verfilmung seines Romans „Die Quellen des Lebens“, deswegen stehe ich an dem Tag vor der Kamera und habe gar keine Zeit, zu feiern. Das ist wahrscheinlich auch das Beste, was mir an meinem 40. Geburtstag passieren kann (lacht).

INTERVIEW: Frank Brenner

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