1979 in Köln geborene Katharina Schüttler schon 2002 den Förderpreis Deutscher Film für „Sophiiiie!“ und vier Jahre darauf den Günter- Strack-Fernsehpreis. Auch ihre Bühnenrollen wurden prämiert: Für „Hedda Gabler“ bekam sie den Faust-Theaterpreis und wurde 2006 von „Theater heute“ zur „Schauspielerin des Jahres“ gewählt. Nach ihren Kinohauptrollen in „Ganz nah bei Dir“ und „Es kommt der Tag“ kann man sie nun in „Die zwei Leben des Daniel Shore“ als geheimnisvolle Nachbarin in einem alten Mietshaus erleben.
trailer: Frau Schüttler, für Michael Dreher war „Die zwei Leben des Daniel Shore“ sein Langfilmdebüt als Regisseur. Haben Sie im Vorfeld seine Kurzfilme angesehen, oder genügte das Drehbuch, um Sie zur Zusage zu bewegen?
Katharina Schüttler: Ich habe als allererstes seinen Kurzfilm „Fair Trade“ gesehen, den er mir zugeschickt hatte. Den mochte ich total gerne und fand es hochgradig sympathisch, dass vor dem Film auf der DVD eine Tafel eingeblendet wurde, auf der sinngemäß zu lesen war: „Falls Sie manche Szenen auf Ihrem Bildschirm nicht sehen können, weil alles so dunkel ist, machen Sie sich keine Sorgen, es soll genau so sein.“ Das war toll, weil das so eigen war. Mut zur Dunkelheit ist im Deutschen Kino ja eher selten. Ich mochte den Film sehr. Dann habe ich das Drehbuch gelesen und fand es recht merkwürdig und schräg. Wir haben uns getroffen, und dann war eigentlich sofort klar, dass ich Lust hatte, die Rolle zu spielen.
Deutsche Genrefilme waren ja lange Zeit eine Seltenheit, wobei sie nun wieder verstärkt produziert werden. Sie schauen sich so etwas auch gerne an, wie ich Ihrer Einschätzung des Drehbuchs entnehme…
Nicht unbedingt genremäßig, denn ich bin bei Filmen eigentlich völlig offen. Ich könnte gar nicht sagen, dass es ein Genre gibt, das ich besonders mag oder gerne anschaue. Ich finde es aber immer toll, wenn nicht alles gleich aussieht und auf die gleiche Weise funktioniert. Ich mag es, wenn Filme etwas Eigenes haben, wenn man den Filmemacher noch als Künstler spüren kann. Und dass das gleiche Drehbuch, von zwei verschiedenen Regisseuren umgesetzt, zwei völlig verschiedene Filme ergeben kann.
Wie war die Zusammenarbeit mit Nikolai Kinski? Hat man bei ihm nicht ständig den legendären Vater Klaus im Hinterkopf, oder kann man das sehr schnell abschütteln?
Ich konnte das eigentlich sehr gut abschütteln, und wir haben uns auf Anhieb sehr gut verstanden. Es war vielleicht deshalb merkwürdig, weil ich mich manchmal gefragt habe, wie präsent es für ihn ist, dass alle genau das denken könnten. Diese Frage steht schon immer irgendwie im Raum, das ist aber wohl das Los der Kinder, die sehr berühmte Eltern haben: dass sie sich nie ganz lösen können von der Tatsache, dass sie eben das Kind bekannter Eltern sind, vor allem, wenn dann wie in Nikolais Fall, noch eine äußere Ähnlichkeit besteht.
Sie spielen in dem Film eine Sängerin, was man dann auch in einer Konzertszene sieht. Hört man da eigentlich Ihre eigene Stimme?
Nein, leider nicht. Ich habe aber Gesangsunterricht gehabt, um dieses Lied zu üben. Es ist nämlich erstaunlich, wie schwierig es ist, gut Playback zu singen. Es muss dann natürlich auch so aussehen, als könnte man wirklich so singen. Das Lied wurde von einer Opernsängerin gesungen. Bei der Aufnahme war ich aber anwesend, und wir haben sie dabei gefilmt, so dass ich mir alles sehr detailliert abschauen konnte.
In den letzten Monaten sind mit „Ganz nah bei Dir“ und „Es kommt der Tag“ Filme von Ihnen angelaufen, in denen Sie sehr ungewöhnliche Figuren gespielt haben. Auch am Theater haben Sie ein Faible für Außenseiterfiguren. Woher kommt diese Vorliebe?
Es macht immer großen Spaß, Figuren oder Rollen zu spielen, die ganz unterschiedlich und gerne auch ganz extrem sind, weil man dadurch einfach viel mehr zu spielen bekommt und ein größeres Terrain hat, das man für sich erkunden kann. Man darf dabei auch viel tiefer in sich selbst graben und nach Dingen forschen, die dort vielleicht irgendwo verborgen sind. Es ist vergleichbar mit einem Abenteuerreisenden, für den es spannender ist, in ferne, unbekannte Regionen vorzudringen, als immer nur in die Eifel zu fahren. Ich spiele durchaus gerne auch ganz „normale“ Figuren. Ich bin offen für alles, was da kommen kann.
Sie versuchen, die Balance zu halten zwischen Ihren Film- und Theaterrollen. Wie gelingt das?
Muss man da häufig auch mal „Nein“ sagen können zu Angeboten? Das bleibt manchmal leider nicht aus. Es ist wirklich nicht immer ganz einfach, aber in den letzten Jahren hat es – toi, toi, toi – super gepasst. Es ist vor allem schwierig, die laufenden Theatervorstellungen mit Dreharbeiten zu vereinbaren. Manchmal muss man sich eben entscheiden. Es kann an einem einzigen Film hängen, dass man in einer Spielzeit kein neues Theaterstück machen kann. Ich versuche, mir die Theaterproben in den Winter und ins frühe Jahr zu legen, damit sie nicht in die Hauptdrehzeit fallen. An der Schaubühne in Berlin, wo ich ja sehr viel spiele, ist es dann auch immer noch eine Frage, wie erfolgreich die Produktionen sind, weil dann unter Umständen die ganzen Auslandsreisen und Gastspiele dazukommen. Es ist eine eigene Herausforderung, das zu koordinieren (lacht).
In den USA startet mit „Carlos the Jackal“ demnächst Ihre erste fremdsprachige Produktion. Können Sie dazu noch etwas sagen?
Auf die Arbeit bin ich selbst auch total gespannt. Die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Olivier Assayas war ganz toll. Es war eine wahnsinnig aufregende und spannende Zeit, denn viel davon wurde im Libanon gedreht. Es gibt in dieser historischen Geschichte eine Menge deutsche Figuren, und Assayas wollte jede Nationalität originalgetreu besetzen. Dementsprechend wurden dann in Deutschland auch eine ganze Menge Schauspieler gecastet, zu denen dann auch ich gehörte.
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