Es gibt 266 Beiträge von Matt513
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29.04.2018
Augen auf bei diesem Film. Kurz bevor die Handlung sich in allzu transzendenten Bildern zu verlieren droht, schnappt er wie eine Peitsche zurück, scharf und blutig. Erfährt man zunächst streiflichtartig von Joes lebenslanger Marter, wegen der er eine seltsame Affinität zu über den Kopf gezogenen Plastiktüten pflegt, entwickelt sich im weiteren eine Geschichte, in deren Hauptmotiven (Kriegsveteran, Trauma, Minderjährige, verdorbene Gesellschaft/Herrscherschicht) grob Scorseses Taxi Driver widerhallt.
Lynne Ramsay hätte aber vielleicht gut daran getan, eine klare Entscheidung zu treffen, ob sie lieber ein Psychogramm oder einen Thriller machen wollte. So ist von beidem etwas vorhanden, aber keines zur Gänze und wirklich überzeugend. Bei reichlich brachialer Gewalt bleibt der Plot nur angedeutet, streckenweise fast unleserlich. Allerdings langweilig - wird Ramsays Erzähltechnik dabei nie. Wie auf Zehenspitzen folgt der Zuschauer ihrem gefallenen Helden. Und Phoenix, dessen schiere Präsenz dem Film ein solides Fundament ist, hat sich zu einem solchen schauspielerischen Schwergewicht entwickelt, daß man schon alleine wegen ihm nicht enttäuscht wurde. Kein unbedingtes Muß, aber ein sehr ordentlich gemachter, interessanter Film.
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22.04.2018
In dieser bösen, aber superben Satire ergänzen sich glänzend aufgelegte Schauspieler zu etwas Großem, ja spielen sich regelrecht in Rage. Neben Buscemi und vielen anderen hier besonders Beale, der den widerwärtigen und eisigen Geheimdienstchef mit überschäumender Verve spielt. Die Mechanismen der inneren Machtzirkel, die wir vorgeführt bekommen, lassen sich vermutlich auf alle Chefetagen übertragen; welchen Titel das zu erringende Amt trägt (Parteisekretär? Staatsratsvorsitzender? Kanzler? Puh!), ist eigentlich egal.
Das Drehbuch ist einsame Spitze. Köstlich, wie in totalitären Systemen "einstimmige" Entscheidungen gefällt werden. Man sieht hier, die freie Meinungsäußerung ist doch eigentlich vollkommen überbewertet, wenn die Aussicht, im Gulag oder gleich an der Wand zu enden, sich in punkto Entscheidungsfindung als viel effektiver erweist. Die Angst, das eigene Leben (oder ersatzweise den Platz an der Sonnenseite des Despoten) einzubüßen, treibt herzerfrischende Blüten. So hält Chruschtschow des Abends nicht nur nach, worüber Stalin lachte, sondern -viel wichtiger für die eigene Haut- auch, worüber nicht.
Eine Komödie ist dies tatsächlich nicht. Iannucci stellt mehr als einmal die menschenfressenden Zustände jener Jahre, ein Widerhall des Großen Terrors, im Stakkato dar. Manches, z.B. wenn Stalins Datscha aufgelöst wird und das Protokoll die Ausschaltung sämtlicher Augenzeugen (sowie Doppelgänger) vorsieht, erscheint allerdings schon wieder so irrwitzig, daß man kaum anders kann, als drüber zu lachen. Ich vergleiche seinen großartigen Film mit Dr. Seltsam, nach dessen respektloser Darstellung die Zustände in der US-Militärführung so irre waren, daß man darüber unmöglich einen ernsten Film machen konnte. Daß dieser unverschämte Film hier in Russland aktuell nicht zur Aufführung kommen darf, könnte zum Schluß als starkes Signal dafür gelesen werden, daß daran vermutlich sehr viel wahr ist :).
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24.03.2018
trägt in diesem Film ausnahmsweise mal Pfirsiche, aber die Symbolik, wenn Elios Hand einen pflückt, ist unübersehbar. Gleich darauf steht die Frucht im Zentrum seiner Beziehung mit einem älteren Mann. Ihre Romanze ist wie vom „verbotenen Baum“ zu kosten, wendete man für den Moment die üblichen gesellschaftlichen Normen an. Guadagninos Film schwebt aber über solchen Konventionen, ohne dabei amoralisch zu sein. Viel weiter oben drüber angesiedelt, thematisiert er pures Vergnügen am Entdecken der Liebe. Er ist außerdem ein Lehrstück darüber, daß Liebe und Erfüllung häufig im Paket mit Enttäuschung und Trennungsschmerz daherkommen, welche das liebende Herz verzehren. Mit seinem bedächtigen Monolog dazu bindet Elios Vater alles zusammen.
Die sehr positiven Kritiken versprachen nicht zuviel. Auf allen Ebenen ist er einfach unwiderstehlich und dabei ist es egal, wie man zu dem Thema Männerliebe steht. Er ist zauberhaft, wie ich nur wenige Filme erlebt habe; daneben wird eine positive Spannung, jene nämlich zwischen den beiden Hauptcharakteren, über fast die gesamte Distanz durchgehalten. Chalamets und Hammers Darstellungen sind oft gelobt worden. Vom ersten Moment an ergreift ein betörender Soundtrack den Zuschauer. So entspannt, zeitlos und entschleunigt ist alles, daß mir erst nach einer Weile auffiel, daß er ja in der Vergangenheit spielt. Hach, man möchte in die nächste Zeitmaschine hüpfen und diesen versunkenen italienischen Sommer miterleben, in der warmen Nachtluft dem groovigen 80er-Pop lauschen. Ein außergewöhnliches Kinoerlebnis. Ich denke Wochen danach immer noch daran und kann diesen Film nur empfehlen.
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04.03.2018
wie spannend man ein solch knochentrockenes Sujet erzählen kann, dachte ich während der Vorstellung. Spielberg bringt hier seine geballte Routine und Erfahrung zur Wirkung. Der Film ist aus einem Guß. Bezeichnend ist auch, wie homogen sein Ensemble wirkt, von welchem Superstars wie Streep und Hanks sich nie wirklich abheben. Nach den Entwicklungen jener Zeiten, welche sich u.a. in der Verabschiedung des Freedom of Information Act niederschlugen, ist es mir allerdings nicht erklärlich, warum Snowden sich nach wie vor im Exil verbergen muß. Sehr viel mehr muß man nicht wissen. Wenn Ihnen schnörkelloses Historienkino zusagt, gehen Sie rein.
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04.03.2018
Auch wenn das eigentlich nicht mein Genre ist, diesen hervorragenden „Horrorfilm“ muß man gesehen haben. Peele geht es im Kern darum, wie ethnische Unterschiede immer noch zur Ungleichbehandlung in der US-Gesellschaft führen, ganz gleich, wie liberal und aufgeklärt sich jene selbst einschätzt. Auf der Gartenparty wird Chris zwar wohlwollend, aber letztlich wie ein exotisches Tier im Zoo behandelt, weil fortwährend seine Hautfarbe bzw. ethnische Eigenart thematisiert wird. Das ist sowas wie Rassismus 2.0. Gesellschaftsfähig geworden und perfide, weil nicht sofort als solcher erkennbar, sondern bemäntelt mit Toleranz sowie dem Anspruch, ja ganz progressiv zu sein.
Dies verpackt Peele in einen haarsträubenden Verschwörungsplot, welcher einen beständig auf der Sitzkante hält. Daniel Kaluuya ist einfach nur erfrischend, wie er als smarter Sonnyboy die gespenstische Atmosphäre konterkariert; mit dieser tollen Leistung für mich Topanwärter auf den Oscar.
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04.03.2018
Ridley Scott kann doch noch Filme machen, die aussehen wie Filme von Ridley Scott. Bei dem Mann, der uns mit Prometheus, Der Marsianer und zuletzt Alien: Covenant verwunderte, könnte es sich also theoretisch um seinen indisponierten Zwillingsbruder gehandelt haben. Sein auf wahren Ereignissen basierender, neuester Streifen wirkt wohltuend nostalgisch, nicht nur thematisch, sondern eben auch optisch. Scott scheint zurück in der Spur zu sein und erlaubt sich mit der Kamerafahrt um den Muezzin herum bei Sonnenaufgang sogar ein kesses Selbstzitat aus Black Hawk Down. Es wäre toll gewesen, wenn es ihm gelungen wäre, auch den famosen, narrativen Drive z.B. aus ebenjenem Film zu übertragen. Da dieser hier sich schon manche kreative Freiheit gegenüber den Fakten erlaubt, wäre das sicherlich gegangen. Nach sehenswertem Start zieht sich die Beschaffung des Lösegelds in die Länge. Das war zwar auch in echt so, aber im Film trübt es den ersten positiven Eindruck und macht es bei über 2 Stunden Laufzeit dann auch ein bißchen mühsam durchzuhalten. Mein Eindruck also gespalten.
Christopher Plummer aber muß für seine Darstellung des unverbesserlichen Kapitalisten und Geizkragens den Oscar für die beste Nebenrolle gewinnen. Jener Getty, zu seinen Zeiten reichster Mann der Welt, der sich in Rom für den wiedergeborenen Kaiser Hadrian hält, aber seine Wäsche im Hotelbadezimmer wäscht (ist billiger), Ablehnungsschreiben auf Bittbriefe von seinem Enkel verfassen läßt (ebenso) und das Lösegeld schließlich nur bis zur steuerlich absetzbaren Höhe bezahlen will (sowieso). Und das zu Zeiten der Ölkrise, wo Getty Oil an einem einzigen Tag solch ein Plus an Profit machte, daß alleine damit der so titulierte Lieblingsenkel hätte ausgelöst werden können. Alles hat seinen Preis, sagt er und meint damit, für mich kostet am besten alles nichts. Plummer, der mit Getty persönlich bekannt war, spielt diese Rolle geschmeidig und plastisch, mit unwiderstehlicher Selbstverständlichkeit. Den verfemten Spacey, der zudem 20 Jahre zu jung gewesen wäre, hätte ich mir hier überhaupt nicht vorstellen können.
Noch ein Wort zur Handlung: So wie sich der junge Getty aus dem Film verabschiedet, scheint ja alles supi zu sein. Das stieß auf. `Erinner mich an eine „Was macht eigentlich…“-Reportage aus den 80ern. Im wahren Leben zerbrach Getty III psychisch und körperlich an dem Trauma und starb als völlig zerstörtes Wesen. All der Reichtum seiner Familie hat ihn vor diesem Unglück nicht bewahrt. Alles Geld der Welt nicht.
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14.02.2018
Tatsächlich enthält der Film mehrere Verweise auf die griechische Tragödie bzw. die sie begründende Sage (falls Sie Ihren Schwab nicht zur Hand haben: Eine der Jagdgöttin Artemis geweihte Hirschkuh abzumurksen, damit erwies Agamemnon auf dem Weg nach Troja sich, seiner Flotte sowie noch im weiteren Verlauf seiner Tochter einen ziemlichen Hirschen.. äh, Bärendienst). Jedoch wäre es eigentlich auch ohne diesen Bezug gegangen, da die Gemeinsamkeiten beider Geschichten nicht übermäßig stark ausgeprägt sind, fand ich. In der Tragödie/Sage treibt göttliche Intervention die Dinge auf den Schluß, hier im Film ist schiere, menschliche Rache das bestimmende Motiv.
Deutlicher fiel mir auf, wie dysfunktional das Verhalten der Familie ist. Kaum zu glauben, was sie über bzw. zu sich sagen und Stephens Vollnarkose-Fetisch, selbst für einen Chirurgen noch ziemlich schräg, ist doch auch ein Indiz für Dysfunktionalität in ihrer Ehe. Lanthimos gibt sich also erst gar keine Mühe, sowas wie Familienidylle zu kreieren. Seine Figuren wirken teils wie unter Medikamenten, was durch die bei ihm bekannten, abgezirkelten Dialoge noch verstärkt wird. Das verleiht dem Film per se etwas Surreales. So ist der Boden im Kopf des Betrachters bereitet und als sich dann noch Martins Drohkulisse manifestiert, jagt's einem vollends kalte Schauer den Rücken runter. Lanthimos trifft den Zuschauer an wunden Punkten wie weiland Stephen King. Das ist so ein Horror auf der unterbewußten Ebene, ebenso schwer zu formulieren wie abzuwehren. Wir waren hinterher total im Eimer und mußten erstmal in die nächste Eckkneipe einfallen, um unseren Schauer 'runterzuspülen.
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10.02.2018
Über das Phänomen, daß man in Hollywood seit einigen Jahren sein Heil in der Rezitation sucht, wollte ich nicht mehr viel schreiben. In Fachkreisen nennt man das Soft Reboot. Letztendlich bedeutet dies, anstelle einen Film als regelrechtes Remake anzulegen, stattet man ihn lediglich mit allerlei Versatzstücken eines erfolgreichen Vorgängers aus in der Hoffnung, ihm so zu ähnlichem Erfolg zu verhelfen. Nachdem sich Prometheus hier noch einigermaßen zurücknahm, ist Soft-rebooting nun auch vollends im Alien-Universum angekommen, gewissermaßen im Frachtraum des Kolonialisierungs-Raumschiffes Covenant. Fans des Urahns freuen sich bereits im Intro über die Musik von Jerry Goldsmith sowie über die sukzessive eingeblendeten Buchstaben. Und der Bordcomputer heißt sogar wieder Mutter!
Auf der Metaebene formuliert, geht es einmal mehr um Dummheit und Naivität, ohne welche Genres wie dieses vermutlich nicht mehr fortzusetzen wären. Mit welcher Leichtfertigkeit man hier einen mit enormer Verantwortung ausgestatteten Auftrag über Bord gehen läßt, um mal eben Picknick auf einem näheren, vermeintlich geeigneteren Planeten zu machen, das muß man nicht verstehen. Die Crew wirkt unglaubwürdig und oft überfordert, oben angedeutetes Schicksal daher geradezu unausweichlich. Alles Hippies. Einen sozialkritischen Bezug wie die gesellschaftliche Schichtung an Bord der Nostromo sucht man vergebens. James Franco macht so gesehen alles richtig, wenn er sich recht bald, dazu unverschuldet aus dem Film verabschiedet. Über den zweiten Akt gewinnt der Film noch ein wenig an Format, wenn Scott den Themenkomplex des künstlichen Lebens um den Gedanken weiterentwickelt, womit sich ein ‚perfekter‘ Maschinenmensch beschäftigt, nachdem er seine Schöpfer als ‚unperfekt‘ erkannt hat. Danach gleich wieder filmisches Rezitieren, ein Ripley-Epigone und ein Twist, der keiner war, weil man ihn mit verbundenen Augen und auf den Rücken gefesselten Händen längst vorher erraten hat. Insgesamt einigermaßen unterhaltsam, aber die Zitrone ist definitiv ausgepresst, die Saftpresse dreht längst in der Schale.
Warum fleddert Scott also sein eigenes Vermächtnis; Meilenstein, immerhin Begründer des weiland neuen Genres Weltraum-Horror? Er plante wohl ursprünglich, in weiteren Filmen nach Prometheus den Fokus auf die Hintergründe der gottähnlichen Ingenieure zu richten. Aber so wie es aussieht, wird er dazu keine Chance erhalten. Denn Disney hat sich nun auch noch 20th Century einverleibt, gibt daher den Takt vor und der lautet: Cash as cash can. Daher mußte Scott vermutlich die sichere Karte spielen, um bei 20th Century im Geschäft zu bleiben. Soft Reboot, wie erwähnt.
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10.02.2018
Zu schreiben, dieser Film handele von grandiosem Scheitern, wäre falsch. Denn obschon Tommy Wiseau den wenig schmeichelhaften Verdienst für sich beanspruchen darf, einen der schlechtesten Filme aller Zeiten gedreht zu haben, informiert der Abspann, daß The Room sich über die Jahre als Kultfilm bezahlt gemacht hat. Wie wäre es also mit: Dieser Film handelt von einer Freundschaft, welche einen der schlechtesten Filme aller Zeiten gebar? Schon besser. Er ist was für Fans des Speziellen und fürs Spätprogramm, aber das störte uns paar Zuschauer nicht; wir haben uns gekringelt vor Lachen. Zu danken ist dies der unglaublichen Geschichte von Wiseau sowie seines Buddys Greg, ihrem unverbrüchlichen Glauben an sich und schließlich The Room selbst. Aber natürlich auch, wie Franco das in einen überaus amüsanten Streifen umgesetzt hat. Er selbst trägt ihn, indem er den geheimnisvollen, wunderbar untalentierten Sonderling herrlich bescheuert spielt.
Die ersten paar Minuten dauerte es mich, nicht das OmU gewählt zu haben, aber die leicht überzeichnete Synchro konnte am Schluß doch gefallen. Zu Recht ging Franco mit dem Darsteller-Golden Globe nach Hause. Bei den Oscars hingegen ist der Film gerade mal fürs beste Original-Drehbuch dabei. Es ist schade, daß ihm so verhältnismäßig wenig Anerkennung zuteil wird. Denn Filme wie dieser sind es, die meiner Meinung nach Hollywood, dieser schrecklich verkrusteten Traumfabrik, Hoffnung und neues Leben einhauchen. Wenn Sie schräge Filme wie Ed Wood oder Anvil! mochten, sollten Sie die Gelegenheit nutzen, solange er noch läuft.
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04.02.2018
Nur wenig effektiver hätte Anderson seine Hauptfigur Reynods einführen können, als bei der pingeligen Morgentoilette. Da fügt es sich nett, daß jene von Day-Lewis gemimt wird, der für penibelste Vorbereitung seiner Rollen bis zum Character-acting am Set bekannt ist. Das Sujet klingt trivial, die Geschichte handelt vom Sich-verlieren in der Liebe. Aber *wie* Anderson sie erzählt, das ist einfach großartig. Mit ganz sparsamer, aber höchst gekonnter Mimik erzählen Andersons Charaktere mehr über sich wie über die gesellschaftlichen Umgangsformen jener Epoche, als wortreiche Dialoge es vermocht hätten. Ein Qualitätsmerkmal der Arbeit des Regisseurs mit seinen Darstellern. Ein paar Einstellungen sind Kubrick entliehen; das bloß mal am Rande. Gefallen konnte auch der Score, der, obschon klassisch, den Film an manchen Stellen wie ein Pulsschlag vorantreibt.
Reynolds, im Beruf ein Charmeur im Umgang mit seinen vermögenden Kundinnen, erweist sich im Alltag als undiplomatischer Pedant. Herrlich die Dialogeinfälle, da scheint Anderson von Loriot, Gott hab ihn selig, geküßt gewesen. Almas Stärke ist, daß ihr Blick auf Mitmenschen durch keinerlei gesellschaftliche Etikette verstellt ist. Vielmehr entlarvt ihre bisweilen herrlich direkte Art ebenjene als eitel und oberflächlich. Hier wäre eine fürchterlich schmalzige Geschichte denkbar gewesen, in welcher z.B. zwei unterschiedliche Seelen sich am Ende doch kriegen o.ä. Aber Andersons Verdienst ist, daß er seine Hauptfiguren auf höchst unvorhergesehene Weise einander ausliefert, der Liebe zwischen Menschen (bekannt und auserzählt, wie es scheint) neue Facetten hinzufügt, was bis zum Schluß eine Entwicklung in viele Richtungen; Drama, Tragödie usw. offenhält. Handwerklich ist der Film ein Genuß. Zu Day-Lewis, über jeden Zweifel erhaben, muß nichts mehr geschrieben werden. Daneben überzeugt Manville mit obigem, zurückgenommenen Ausdruck, ein profundes Abbild britischen Unterstatements.
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