Anna Brüggemann, Jahrgang 1981, bewarb sich im Alter von 15 Jahren bei einer Castingagentur in ihrer Heimatstadt München. Schon im selben Jahr stand sie erstmals vor einer Kamera und hat seitdem in Filmen wie „Oktoberfest“, „Mitfahrer“ und „Warten auf Angelina“ einen bleibenden Eindruck hinterlassen. In „Mitte Ende August“ ist sie nun an der Seite von Marie Bäumer und Milan Peschel im Kino zu sehen.
trailer: Frau Brüggemann, „Mitte Ende August“ basiert lose auf Johann Wolfgang von Goethes „Wahlverwandtschaften“. Haben Sie den Roman im Vorfeld der Dreharbeiten gelesen?
Anna Brüggemann: Ja, habe ich, obwohl das Sebastian Schipper (der Regisseur; die Red.) eigentlich gar nicht unbedingt wollte. Aber mich hatte das interessiert, und es hat mir auch geholfen. Ich fand interessant, wie unglaublich modern der Roman ist, auch hinsichtlich der Figurenpsychologie und seinem Verständnis von Partnerschaft. Mir hat das auch für die Rolle geholfen, weil sie ja so etwas absolut Liebendes und Naives hat.
Im Film geht es um das Sesshaftwerden, das langfristige Planen von Zukunft. Sind Sie privat auch schon an diesem Punkt?
Jein. Ich finde, man plant immer irgendwie langfristig und lebt doch im Moment und gibt sich dem Wandel hin.
Kannten Sie Sebastian Schippers vorangegangene Filme, bevor Sie für die Rolle zugesagt haben?
Ja, ich kannte sie beide. Von „Absolute Giganten“ bin ich sogar ein absoluter Fan, seit er raus kam, also seit ich siebzehn bin. Deswegen habe ich mich total gefreut, als ich dann das Drehbuch bekam.
Ist es für Sie generell wichtig, andere Arbeiten des Regisseurs im Vorfeld zu kennen, oder hängt die Entscheidung eher vom Buch ab?
Beides. Für mich sind die bisherigen Arbeiten eines Regisseurs auch sehr wichtig. Eine Rolle kann noch so toll sein, aber wenn einem dann die Art, wie die Geschichte erzählt wird, nicht gefällt, säuft man damit ab.
Sie sind als Autodidaktin zur Schauspielerei gekommen. Wie nähern Sie sich einer Rolle an?
Das kommt bei mir sehr von innen. Ich überlege mir eine Vergangenheit der Figur, ich überlege mir eine innere Reise und vor allen Dingen einen Blick auf die Welt, die individuelle Weltsicht meiner Figur. Wichtig ist mir dabei auch, wie sie Leute beurteilt, wo ihre Prioritäten und Werte liegen oder ob sie überhaupt welche hat.
Mit Ihrem Bruder Dietrich haben Sie zusammen schon Drehbücher geschrieben, Sie beide sind in den unterschiedlichsten Bereichen kreativ. Stammen Sie aus einem kulturell interessierten Elternhaus?
Ja, sehr. Unsere Eltern sind absolut an Theater interessiert. Sie sind beide Germanisten und deswegen unglaublich interessiert an Sprache. Unsere Mutter ist sehr musikalisch und malt auch.
Für „Renn, wenn Du kannst“ haben Sie nun wieder für Ihren Bruder vor der Kamera gestanden. Ist die Atmosphäre am Set in solch einem Fall eine andere?
Ja, es ist anders, weil es manchmal viel einfacher ist, sich fremden Menschen zu öffnen. Deswegen ist es am Anfang zunächst schwieriger, aber dann auch viel einfacher, weil eben auch ein sehr großes Vertrauen da ist.
Sie drehen auch ganz gerne für Fernsehserien wie „Tatort“ oder „Der Alte“. Ist das aus einem Nostalgie-Verhältnis heraus, weil Sie mit diesen Serien groß geworden sind?
Nein, ich bin eigentlich ohne Fernseher aufgewachsen. „Tatort“ machen doch eigentlich alle, es gibt ja auch unheimlich viele. Es sind meistens interessante Rollen und meistens auch interessante Regisseure. Es gab auch schon „Tatort“-Folgen, die ich abgelehnt habe, weil ich gerade schon eine ähnliche Rolle gespielt hatte oder es eine Rolle war, die ich sowieso immer spiele.
Sie haben in den letzten zehn Jahren in über 50 Fernseh- und Kinofilmen mitgespielt. Sind Sie ein Workaholic?
Das sieht nur so aus. Es ist schon viel, denn ich habe auch kontinuierlich gearbeitet, aber es gibt daneben immer wieder Pausen von einigen Monaten, in denen ich dann nichts getan bzw. mit Dietrich geschrieben habe. Für mich verläuft da auch keine so klare Trennlinie. Für mich ist Arbeit der totale Spaß, ich mache das richtig gerne. Ich lerne auch sehr schnell auswendig. Wobei die eigentliche Vorbereitung ja darin besteht, ein emotionales Gerüst zu schaffen und sich innerlich auf die Rolle vorzubereiten. Ich habe das Gefühl, dass der Text nur die Spitze des Eisberges ist. Den lerne ich schnell, alles andere braucht schon seine Zeit. Deswegen bin ich auch immer froh, wenn ich viel Zeit habe und vorher lange mit einer Rolle spazieren gehen kann. Ich gehe dann wirklich durch die Stadt und tue so, als ob ich die Figur wäre. Das ist toll, aber das ist schon fast Luxus. Ein Workaholic bin ich aber, glaube ich, nicht.
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