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Home alone in der Großstadt
Foto: Thomas Morsch

Gemeinsam nicht einsam

26. März 2015

Alternative Wohnformen sind auch im Ruhrgebiet immer beliebter – THEMA 04/15 WOHNART

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Er braucht soziale Kontakte und die Interaktion mit anderen Menschen. Einsamkeit macht uns krank. So ergab eine Analyse der Psychologen Holt-Lunstad, Smith and Layton, in der insgesamt 148 Studien an über 300.000 Probanden ausgewertet wurden, dass Personen, die einsam sind nicht nur psychisch leiden, sondern auch physischen Risiken ausgesetzt sind. So haben einsame Menschen ein ähnliches Gesundheitsrisiko wie Raucher oder Alkoholiker. Sie tendieren eher zu mangelnder physischer Aktivität und Fettleibigkeit. Im Schnitt sterben sie früher als solche mit vielen sozialen Kontakten. Einsamkeit beschreibt hier ein Gefühl des Nichtbeachtetwerdens und der Isolation. Klar davon abgrenzen muss man den Begriff des Alleinseins. Nicht jeder der alleine ist, fühlt sich schließlich einsam. Es ist aber eine Binsenweisheit, dass Alleinsein Einsamkeit durchaus fördern kann.


Die Zahl Alleinlebender in Deutschland war noch nie so hoch wie heute. Eine Studie des Statistischen Bundesamtes, die auf den Mikrozensus von 2011 zurückgeht, zeigt, dass inzwischen 15,9 Millionen Menschen, also ein Fünftel der deutschen Bevölkerung alleine lebt.

Damit liegt Deutschland im EU-Vergleich auf Platz zwei, direkt hinter Schweden. Der Prozentsatz ist in den Städten Hannover mit 33%, dicht gefolgt von Berlin mit 31% am höchsten, die Tendenz ist bundesweit steigend. Die Ursachen für die hohe Quote Alleinlebender sind mannigfaltig.

In den mittleren Jahren spielen Junggesellendasein, Scheidung oder Trennung einer Partnerschaft eine Rolle. Bis zu einem Alter von 58 Jahren leben Männer statistisch gesehen häufiger alleine als Frauen. Ab dieser Altersgrenze kehrt sich das Bild um. In hohen Jahren ist Verwitwung einer der häufigsten Gründe für das Alleinleben.

Junge Menschen heiraten und bekommen wesentlich später Nachwuchs als noch vor einigen Jahren. Längere Ausbildungszeiten und ein hohes gefordertes Maß an Mobilität und Flexibilität den Job betreffend machen Beziehungen seltener und schwieriger. Gerade in den modernen, industrialisierten Ländern ist dieses Phänomen zu beobachten.

Dem Trend zu vermehrtem Alleinleben entgegen, bilden sich indes Wohnformen, die auf Gemeinschaft setzen, aber dennoch die Unabhängigkeit der einzelnen Bewohner respektieren.

Wohngemeinschaften werden nicht mehr nur von Studenten gewählt. Senioren-WGs bieten älteren Menschen eine Alternative zum Alleinleben oder dem Seniorenheim und erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. In diesen WGs hat jeder Bewohner ein eigenes Zimmer, Gemeinschaftswohnräume bieten aber eine Möglichkeit zur Kommunikation, Gemeinschaft und zu sozialer Integration. So wird eine Balance zwischen eigenständiger Lebensführung und einer Unterstützung durch die Gemeinschaft geschaffen, die einem Gefühl von Einsamkeit vorbeugt. Selbst für pflegebedürftige Senioren gibt es spezielle Pflege-WGs.

 

Eine andere alternative Wohnform sind die Beginenhöfe, die allerdings ausschließlich für Frauen vorgesehen sind. Schon im Mittelalter gründeten fromme Frauen, die namensgebenden Beginen, diese Wohn- und Wirtschaftsform. Sie lebten gemeinsam, übten die unterschiedlichsten Berufe aus, um die Gemeinschaft zu unterstützen. Die neue Beginenbewegung hat in fast jeder größeren Stadt ein Haus, im Ruhrgebiet sind sie in Bochum, Dortmund, Essen und Gelsenkirchen vertreten.

Sie schaffen ein gemeinschaftsorientiertes und generationsübergreifendes Wohnprojekt für Frauen, um eine Alternative zu den herkömmlichen Wohn- und Lebensformen zu realisieren. Frauen aus allen Lebenssituationen und Einkommensverhältnissen gehen in diesen Häusern eine sogenannte Wahlverwandtschaft ein. Man hilft sich untereinander und öffnet die Beginenhäuser aber auch nach außen.

Mehrgenerationenhäuser setzen ebenfalls auf die gegenseitige Unterstützung der Bewohner untereinander. Man ergänzt und hilft sich gegenseitig. Ein ganz besonderes Haus dieser Art ist das GenerationenKult-Haus in Essen. Es hat 18 seniorengerechte Wohnungen, die aber nicht ausschließlich von Senioren bewohnt werden können. Zusätzlich gibt es 21 WG-Zimmer. Hier werden den Bewohnern aber nicht nur das gemeinsame Leben, sondern auch vielerlei Möglichkeiten zum Austausch sowie Komfort geboten. Im GenerationenKult-Haus gibt es nicht nur ein Café und eine Lounge-Etage, sondern auch eine Dachterrasse, einen 24-Stunden-Supermarkt, ein Heimkino und einen Wellnessbereich.

Eines aber haben all diese Alternativen gemeinsam: Sie erfordern von den Bewohnern den Willen sich einzubringen und am gemeinsamen Leben teilzunehmen. Wer das nicht möchte, wird wohl auch in solchen Wohnprojekten gegen das Alleinsein letztlich einsam sein.

Aktiv im Thema:

www.neue-wohnformen.de/
www.wohnen-im-alter-nrw.de/
GenerationenKult Haus in Essen
www.dachverband-der-beginen.de/

 

Lesen Sie weitere Artikel zum Thema auch unter: choices.de/thema und engels-kultur.de/thema

NINA RYSCHAWY

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Jürgen Schmidt, 25.04.2015

Näher zusammen....

Früher waren diese angeblich hochmodernen Mehrgenerationenhäuser weit verbreitet, das Konstrukt schimpfte sich schlicht und ergreifend Familie. Heute vereinzelt die Geseschaft zusehends und jeder zieht sich auf sich zurück. Bloß keine Bindungen und Risiken mehr eingehen, was dies aber kostet, werden die Betroffenen tatsächlich erst bemerken, wenn sie in ein entsprechendes Alter kommen. Dann ist es vielleicht zu spät? Wir müssen aufpassen, dass der sog. Neoliberalismus uns nicht auch noch das Soziale austreibt. Wir sollten wieder näher zusammen rücken.

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