Eine Studie des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2014 zeigte, dass die Erwartungen der Deutschen an die Regierung in punkto Umweltschutz gestiegen sind. Doch insgesamt zwei Drittel der Befragten stimmten gleichzeitig zu, dass das Engagement der Politik diesbezüglich nicht ausreichend ist. Das oft beschworene Wirtschaftswachstum stellt für die Befragten nicht etwa eine Lösung, sondern vielmehr einen großen Teil des Problems dar. Viele möchten daher nicht auf Veränderungen durch den Staat hoffen, sondern nehmen das Thema Umweltschutz in die eigene Hand. Weltweit existieren Projekte, die, getragen durch die Mitwirkung vieler Einzelner, Mut und Hoffnung auf eine bessere Zukunft machen. Auch im Ruhrgebiet kann man solche Projekte finden.
Seit 2010 existiert das Projekt InnovationCity Ruhr, Modellstadt Bottrop. Mehrere Teile der Stadt sind in dieses Projekt eingebunden. Ziel ist es die CO2-Emissionen zu halbieren und gleichzeitig die Lebensqualität der Bürger zu verbessern. Insgesamt gibt es in Bottrop nun 125 Einzelprojekte zu den Bereichen Wohnen, Arbeit, Energie, Mobilität, und Stadt. Im Bereich Wohnen werden sanierungsbedürftige Häuser und Wohnungen energetisch modernisiert. Es sind inzwischen drei Zukunftshäuser entstanden, die bilanziell mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen. Ebenso wird mit Gebäuden verfahren, die in den Bereich Arbeit fallen. Gewerbegebiete werden mit Wohnsiedlungen direkt vernetzt um so eine umweltschonende und kosteneffiziente Energieversorgung für ein ganzes Quartier zu schaffen. Unternehmen werden durch die Installation von Photovoltaikanlagen weitgehend energieautark. Darauf zielt auch das Projekt Energie, in dem durch eine intelligente Vernetzung von Erzeugern und Verbrauchern die Nutzung optimiert wird. In der InnovationCity Ruhr können Elektroautos und -fahrräder geliehen werden, inzwischen gibt es am Hauptbahnhof dafür eine Schnellladesäule.
Der Bereich Stadt umfasst die Themen Städtebau, Wasserwirtschaft und Freiraumentwicklung. Hier ist beispielsweise eine Regenwasserbewirtschaftung der städtischen Kehrmaschinen eingeführt worden um für solche Zwecke kein Frischwasser nutzen zu müssen. Die Wandlungen in Bottrop sind also groß. Ziel war es bis zum Jahr 2020 die C02-Emissionen der Stadt zu halbieren. In der Halbzeitbilanz stellte sich heraus, dass die bisherigen Projekte und Maßnahmen bis zum Zieljahr schon 38% der Emissionen eingespart haben würden. Was sehr wichtig ist: Das Projekt funktioniert durch die Akteure vor Ort und ist unabhängig von kommunalpolitischen Entscheidungen.
Auch soziale Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Bestandteil auf dem Weg in eine gesündere und bessere Welt. Ein gutes Beispiel dafür liefert Fairtrade. Hier wurde ein System entwickelt, das auf den Punkten Ökonomie, Ökologie und Soziales aufbaut. Ziel von Fairtrade ist es, die Arbeits- und Lebensbedingungen von Bauern und Plantagenarbeitern in Entwicklungsländern zu stärken. Soziale Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz gehen hier Hand in Hand. Wer als Verbraucher Fairtrade-Produkte kauft, unterstützt also einen Wandel. Doch die Vision kann man noch weiter fassen: Mit der Kampagne Fairtrade Towns. Wer sich um den Titel Fairtrade Town bewirbt, muss als Kommune oder Stadt insgesamt fünf Kriterien erfüllen. Zunächst muss ein Ratsbeschluss verabschiedet werden, der festlegt, dass sowohl im Büro des Bürgermeisters als auch bei öffentlichen Sitzungen Fairtrade-Kaffe und ein weiteres, fair gehandeltes Produkt ausgeschenkt werden. Eine Steuerungsgruppe mit mindestens drei Vertretern aus den Bereichen Zivil, Politik und Wirtschaft muss gegründet werden, deren Aufgabe es ist, innerhalb der Stadt zu vernetzen und die Aktivitäten vor Ort zu koordinieren. Gemessen an der Einwohnerzahl muss eine Mindestzahl an Geschäften, Restaurants und Blumenläden mindestens zwei fair gehandelte Produkte anbieten, ebenso wie öffentliche Einrichtungen wie Kirchen, Vereine und Schulen. Diese Institutionen sollten zudem einmal im Jahr eine Aufklärungs- und Bildungsaktion zum Thema fairer Handel initiieren. Mit der Kampagne wird das Konzept Fairtrade tiefer in die Gesellschaft eingebracht. Weltweit gibt es inzwischen über 2.000 Fairtrade Towns. Im Ruhrgebiet gibt es so viele beteiligte Städte, dass es als erste Großregion weltweit 2013 den Titel Faire Metropole erhielt. Im November 2015 wurde der Titel erneuert.
Eines zeigen die Projekte sehr deutlich: Umwelt- und Klimaschutz kann nicht nur ein Thema für Politik und Wirtschaft sein. Wenn jeder Einzelne aktiv wird, ob im eigenen Haushalt oder in Projekten, können langfristig große Erfolge erzielt werden. Es gilt, die Zukunft jetzt in die eigenen Hände zu nehmen.
Aktiv im Thema
www.icruhr.de | Innovation City Ruhr, Modellstadt Bottrop
www.fairtrade-towns.de | Fair Trade Town
www.faire-metropole-ruhr.de
https://germanwatch.org/ | NGO für globale Gerechtigkeit und den Erhalt der Lebensgrundlagen
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