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Wen Lindner so treibt

29. August 2023

Intro – Schöne neue Zukunft

Düstere Szenarien bereiten zugleich Furcht und Lust. Noch die dunkelsten Fiktionen in Film, Serie, Videospiel oder Buch erfreuen sich größter Beliebtheit – und schöpfen selbstverständlich aus der Wirklichkeit. Zugleich bereitet die Wirklichkeit Ängste: ökologische Katastrophen, erstarkter Nationalismus und groteske Verteilungsungerechtigkeit rütteln an der Existenz. Da überrascht es nicht, dass vermehrt von Nachrichtenmüdigkeit die Rede ist. Unser Monatsthema SCHÖNE NEUE ZUKUNFT möchte einen optimistischeren Blick wagen. Beschönigen wollen wir nicht. Fahrlässig wäre es aber, nicht nach Wendepunkten, Chancen und Lösungen zu suchen.

Unsere Leitartikel besprechen den Berliner Volksentscheid für die Enteignung großer Wohnungsunternehmen als Meilenstein demokratischer Mitbestimmung, setzen in der Krise auf Erfindungsreichtum statt Verzagtheit und betonen, dass die Gesellschaft offen für die nötigen Veränderungen ist.

In unseren Interviews spricht sich der Politologe Sven Grimm dafür aus, dass Europa hilft, kleineren Staaten, die vom Klimawandel besonders betroffen sind, mehr Gehör zu verschaffen, die Sciencefiction-Expertin Isabella Hermann erklärt, was Geschichten über die Zukunft mit unserer Gegenwart zu tun haben und Renate Heurich von Extinction Rebellion diskutiert, welcher Protest Klimaschutz fördern kann.

Beim Verein Köln Agenda erfahren wir, wie er für UN-Nachhaltigkeitsziele eintritt, bei der AG Netzwerk Region West von der Plattform Citizen Science, wie Bürger und Bürgerinnen sich an Forschungen beteiligen und bei der Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz, was sie gegen Rechtsextremismus und Frauenfeindlichkeit tut.

Im Streit um die Kindergrundsicherung hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nahegelegt, Kinderarmut in Deutschland sei vor allem ein Problem von Familien mit Flucht- oder Migrationshintergrund, da unter „ursprünglich deutschen Familien“ die Armut zurückgegangen sei. So spielt einmal mehr ein Politiker auch der ersten Reihe wirtschaftlich schwache Gruppen gegeneinander aus – mit nationalistischem Unterton. Lindner wischt beiseite, dass die Kinderarmutsquote hierzulande seit vielen Jahren auf sehr hohem Niveau liegt, auch unabhängig von Flucht- und Migration! Gleichzeitig streitet er für Haushaltskürzungen, die die Lage von Flüchtlingen und Migranten noch mehr verschlechtern würden: insbesondere Migrationsberatung, Asylverfahrensberatung und Psychosoziale Zentren wären betroffen. Er erdreistet sich dennoch, ein verbessertes Integrations- und Bildungsangebot für die betroffenen Familien in Aussicht zu stellen, statt einer angemessenen Kindergrundsicherung, wie sie von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) gefordert wurde. – Treibt ein so mächtiger Politiker wie Lindner derart gegen die Schwächsten der Gesellschaft, dann kann das den eigenen Optimismus tatsächlich auf die Probe stellen.

Dino Kosjak/Chefredaktion

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